Er macht eine Pause und holt tief Luft. Dann spricht er mit Bestimmtheit weiter: "Also, da hab' ich für meine Person absolut ein gutes Gewissen. Denen ist nichts passiert, den Leuten. So 'nen Tod möchte ich haben. Nicht? Einfach - jetzt sind sie nimmer da. Es hat keiner geschrien, keiner sich übermäßig bemüht, daß man sagen kann, der hat einen Erregungszustand bekommen oder sowas."
Er wird barsch und laut: "Gar nichts! So, wie die da gestanden haben, auf einmal war der ganze Komplex da am Boden gesessen. Die sind nicht einmal gefallen. Die sind so langsam da runter." Der Komplex da - damit meint er eine Gruppe von vierzig oder fünfzig oder mehr sterbenden Menschen.
Es gibt eine Reihe von Berichten über das Sterben in der Gaskammer, aus Hartheim und aus den anderen Anstalten. Von einem sanften, stillen Hinübergleiten ist dabei nie die Rede. Es gab Augenzeugen, die nicht in den T4-Betrieb integriert und daher noch nicht abgestumpft waren, prominente Besucher aus der Zentrale oder der Gauleitung etwa, die sich in Hartheim wie Touristen Vergasungen vorführen ließen. Dabei kam es gelegentlich vor, daß solche "Vergasungs-Touristen" fluchtartig den Platz am Guckloch verließen, weil sie die gräßlichen Szenen im Innern nicht aushielten. (S. 103)
© 2000, Paul Zsolnay Verlag Gesellschaft m.b.H., Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
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