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With the lights out
Immer wieder erstaunlich, wie das mit der Ratio funktioniert, nämlich gar nicht. Mich frisst die Eifersucht auf die große Unbekannte. Ich kann gar nicht anders, ich kann es weder steuern, regulieren noch bremsen. Den ganzen Tag sitze ich in meinem Zimmer und denke und höre laut Musik und denke. Ich sollte wohl hinausgehen. Ich sollte durch saftige Wiesen und modrige Wälder laufen, bis mein Körper zu erschöpft ist, um weiterzudenken. Stattdessen sitze ich den ganzen Tag über in meinem Zimmer und höre Nirvana, laut, lauter, am lautesten. Ich bin in den Neunzigern hängen geblieben. Ich tue mir schrecklich leid, und alles dreht sich nur um mich. Ich hasse dieses Gefühl, und die Umstände machen mich wütend, die Umstände, die mich zwingen, so zu empfinden. Here we are now. So unerbittlich, und nichts funktioniert. Die Einsamkeit nicht wie die Zweisamkeit und die Dreisamkeit aber ganz sicher schon gar nicht, und die Tränen stellen sich bereits wieder hinter meinen Lidern an aus Wut und Zorn über dieses schlecht umsetzbare und anfällige Konstrukt der Beziehungsfähigkeiten, das man gemeinhin Liebe nennt. Nichts geht. Man kann sich oder ich kann mir noch so sehr einreden, dass es nicht nur mir so geht. Dass es die glückliche Monogamie auf Dauer nicht geben kann, weil öde und reizlos. Dass es besser ist, eine innere Vertrautheit herzustellen, mit dem Wissen übereinander, und den Rest abstoßen an Körperlichkeiten. An fremden Körperlichkeiten. Und mein Hirn sagt hast ja recht, und mein Bauch und mein Herz und meine würgende Kehle und meine dicke Zunge und meine in Flüssigkeit verschwindenden Augen schreien alle nein! Wir lassen es nicht zu, und das Hirn das ist bloß der verletzte Stolz und alle anderen wieder aber es tut so höllisch weh. Und die Bilder kommen und gehen und kommen wieder und bleiben. Die Bilder des Körpers, der mich so gut kannte, der sich jetzt zu einem anderen Körper hinbewegt, die glänzenden Augen, die schnell hergestellte Intimität und die Spannung des Neuen. An diesem Abend betrinke ich mich hemmungslos. Ich gehe ins üble Nichts wie schon sehr lange nicht mehr. Als ich am nächsten Tag erwache, ist alles da, das unabänderliche Kotzen, das Sterbenwollen, der verletzte Stolz und der Entschluss: Load up your guns and bring your friends. (S. 91f.)
© 2008 Wieser Verlag, Klagenfurt-Wien-Ljubljana-Sarajevo.
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