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Leseprobe: Julian Schutting - "Was schön ist."

Wie man es den Distelfinken tue, damit sie schöner singen, solle (oder bloß: sollte?) man auch den Malern die Augen ausstechen
nicht der Zar des Beinamens "der Schreckliche" wird das gesagt haben, als der er angesichts eines für ihn gemalten Bildes und von dessen Schönheit überwältigt (nur ihm sollen mit der eifersüchtig Geliebten, der Malkunst, höchste Augengenüsse gegönnt sein!), aus blinder Machtgier den Maler blenden läßt, als könnte ein anderer Auftraggeber das Einzigartige des einen Bildes entwerten -
mag aber sein, daß er, in blindwütig eifernder Liebe zu der Schönheit entbrannt, die nicht ein einziger vor ihm gesehen haben sollte, damit nur er sie mit Augen schaut, dem Maler auch noch das innere Bild aus dem Hirn brennen läßt, ein glühendes Eisen ihm gegen die Stirn drückt -
oder wären da Allmachtswahn und Neid als Tatmotiv angedichtet worden einem, der den Maler in höchste Vollkommenheit führen will, an der Hand, stolz, ihm Pinsel und Farben zuzureichen, oder hätte doch nur ein Karl V., mit Demut vor der Kunst gesegnet, nach dem seinem Porträtisten, dem noch lange nicht alten und halbblinden Tizian, aus der Hand gefallenen Pinsel sich gebückt?
also die Ansicht, Malern gehörten wie den blind schöner singenden Vögeln die Augen ausgestochen, diese grausame Vision (und zugleich nur ein Gleichnis über die Natur der Kunst im allgemeinen und der Malkunst im besonderen) kann noch nicht ein Albrecht Dürer gehabt haben, wiewohl der seine freihändig haargenau gezogenen Kreise beliebigen Umfangs auch ohne auf das Blatt zu schauen zustandegebracht haben mag,
nur ein Picasso kann das leichthin gesagt haben, und so ist es auch - die Hervorbringung von Kunst setze höchste Meisterschaft voraus, ein Finden der Zeichen und Figuren wie im Schlaf, in begnadeter Bilderschrift; Kunst sei Sichtbarmachung, nicht Abbildung dessen, was sichtbar ist, und das gelänge nur in Beschaulichkeit, in von äußeren Dingen unablenkbarer Hingabe an die aus dem Dunkel aufsteigenden inneren Bilder und deren Ertasten: die Löschung des Augenlichts mache aufleuchten den Widerschein der Dinge oder-wie-oder-was,
und warum sollte sich ein Maler über die ihm ausgestochenen Augen nicht hinwegtrösten dergestalt, daß er andere sehen macht, was sie nur auf seinen Bildem sehen können, wie von einem mondscheinigen Schläfer hervorgebracht? sollten daher, wie den Sängern und Malern die Augen, den Dichtern die Ohren ausgestochen werden, damit sie genauer hinhorchen auf das Stillschweigen der Dinge, auf die wortlose Allianz zwischen Natureinzelheiten?
oder sollte man ihnen die Hände abhacken, damit sie endlich beherzigen, was sie längst wissen:
daß zu schreiben zum wenigsten "zu schreiben" ist; daß die Niederschrift bloß festhält, was am besten in einem leeren Kopf zusammentritt, aus in Ruhe gelassen frei sich entwickelnden Bildern!

© 2002, Literaturverlag Droschl, Graz, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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