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Leseprobe: Alfred Paul Schmidt - "Das andere Gestern".

Lukas und Per gingen durch eine Straße voller Autos, Lastwagen und kreischender Mopeds, in dieser tobsüchtigen Zone kamen sie an einem Haus vorbei, vor dem ein junger Mann, auf einem geparkten Moped sitzend, mit dem Handy am Ohr heftig nach oben gestikulierte, wo auf einem Balkon im 1. Stock eine alte Frau stand, die sich, einen weißen Spitz im Arm, ihrerseits via Handy mit dem jungen Mann unterhielt. Der Spitzl schaute wie ein Baby am Arm seiner Mutter zufrieden ins Land.

"Ich habe gehört", sagte Per, "Dass die Leute inzwischen lieber mit dem Handy als face to face kommunizieren."

"Das Handy kann eben beides, es liefert nicht nur die Annehmlichkeit der Nähe, sondern auch die Distanz."

"Trotzdem ist es verdächtig, dass heute sofort zum Handy gegriffen wird, wenn uns das Alleinsein auch nur im leisesten kratzt. Bisher hat das Alleinsein dazu gedient, sich die Welt, die einem fehlt, in Plänen, Vorstellungen und Fantasien zu erobern. Kurz gesagt, das Alleinsein hat uns denkfähig gemacht. Wenn aber jede Einsamkeit verschwunden ist, wie soll aus der Arbeitsgesellschaft eine werden, die sich mit Denken, Wissen und Innovation befasst?"

"Für das bissl Innovation", sagte Lukas, "die eine von der Einsamkeit befreite Masse benötigt, wird sich schon wer finden. Spinner werdet ihr immer haben, das kann man jeder Zukunft prophezeien."

"Keine Frage. Durch diesen ununterbrochenen Austausch dürfte in einigen Generationen eine Masse von sagenhafter Gleichheit entstehen."

"Na, sicher", sagte Lukas, "am Handy passiert ja kein Dialog, sondern das Selbstgespräch für zwei Stimmen."

"Eben. Könnte es daher nicht sein, dass diese Masse äußerst leicht zu manipulieren ist?"

"Ja, aber nicht in jede Richtung. Gleichheit ist angenehm, man weiß, dass Ehen umso besser funktionieren, je gleicher die Partner sind. Warum also sollte sich eine hochgleichartige Masse, der's noch dazu materiell relativ gut geht, von irgendwelchen Gaunern in den nächstbesten miesen Kanal hineinmanipulieren lassen?"

"Du meinst, sie könnte nur in eine Richtung eines verbesserten Lebens manipuliert werden. Sie könnte zum Beispiel Geschmack an mehr Gerechtigkeit für alle finden?"

"So ist es!", sagte Lukas, "und damit ist der Zusammenhang zwischen Handy und Utopie klar bewiesen."

(S. 55/56)

© 2010 Edition Keiper, Graz.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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