Lydia Mischkulnig
Kein Luxus, sondern Notwendigkeit
Ein »langes, langes, langes Annähern an den Stoff […], und dann geht es eigentlich immer sehr schnell«, so beschreibt die Kärntner Autorin Lydia Mischkulnig ihren Schreibprozess.
Und so sei es auch bei ihrem neuesten Roman Schwestern der Angst gewesen: »Das Buch hat mich in der Vorbereitung und im Verständnis viele Jahre gekostet. Ich habe lange, lange, lange dafür gebraucht, bis ich das Verhältnis der zwei Schwestern begriffen habe. […] Ich habe dann mit den Perspektiven gespielt, weil ich mich nicht entschließen konnte, aus welcher heraus ich schreiben wollte. Mir ging es auch darum, eine Sprache zu finden, in der obsessives Verhalten stattfindet, aber vom Sprecher nicht erkannt wird.«
In vielen einzelnen Fragmenten sei der Roman schon geschrieben gewesen; allerdings habe es noch einige Zeit gedauert, bis sie wusste, »wie ich das Ganze in eine Symphonie zusammenpacke«. Erst im Gespräch mit ihrem Lektor habe sie schließlich »das analytische Denken, das man beim Schreiben immer einsetzen muss, weglassen können und die Gefühlslage verstanden«.
Den Stoff für diesen Roman habe sie auf Grund einer politischen Debatte über das Stalker-Gesetz gefunden: »Mich hat es interessiert, wie Hölle aussieht. […] Ausgeschlossenheit, Angst und Rechtfertigung. Stalking ist Hölle. Jede Besessenheit ist Hölle, also Gefangenschaft. Sie macht Menschen kaputt, nicht nur den, der gestalkt wird, sondern auch den Stalker selbst. Und diese Intensität einer Gefangenschaft durch Gefühle wollte ich irgendwie verstehen, ich wollte verstehen, wieso Leute stalken.«
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Auf die Frage, wie sie selbst die Rolle der AutorInnen in der heutigen Gesellschaft sehe, antwortet Lydia Mischkulnig: »Am Anfang war mein Schreiben auf meine Lebensumstände und meine Erfahrungen bezogen, die dann zu Einfällen, Eindrücken und schließlich zu Ausdruck geworden sind, was viel Vergangenheit und Aufarbeitung bedeutete. […] Ich denke aber, durch mehr und mehr Beschäftigung mit der Sprache, mit dem Leben, mit dem Alltag, mit politischem Interesse und auch mit dem Wissen, dass wir diejenigen sind, die die Gesellschaft gestalten, wachsen Dimensionen dazu, die sehr erdend und utopieorientiert wirken. Ich glaube auch, dass es manchmal sehr wertvoll ist, sich als Literat[In] als Sprachrohr zu instrumentalisieren, um durch Informationsverbreitung direkt und meinungsbildend in das politische Bewusstsein einzugreifen. Und das ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit für eine demokratische Gesellschaft. Insofern halte ich Literatur und uns [AutorInnen] für sehr notwendig.«
(S. 133-135)
© 2011, Edition Atelier, Wien