Leseprobe: Robert Schneider - "Der Papst und das Mädchen."

Die Hauptfigur Loredana und ihre Klassenkameradin Hasenrosa unterhalten sich:

"Warst du schon mal im Petersdom?", fragte Loredana nach einer Weile.
"Ich doch nicht. Du?"
"Auch nicht."
"Ettore hat gesagt, das sei die überflüssigste Kirche auf der Welt. Es ist nämlich so: Der Papst ist schon ziemlich alt und vertrottelt. Seine Priester sind auch alt und vertrottelt. Die meisten sind....du weißt schon, vom andern Ufer und so. Alle leben sie von den Steuern und fressen uns die Butter vom Brot. Wenn du meine Meinung hören willst: Du kannst von Glück sagen, dass es im Supermarkt überhaupt noch Butter zu kaufen gibt."
"Echt?"
"Ettore weiß alles. Er kann mich auf einem Arm zwei Minuten lang hochstemmen."
"Ich hab jetzt auch einen Papa."
"Seit wann denn?"
"Wollte es dir nur gesagt haben."
"Ist er wieder zurückgekommen?"
"Nicht direkt."
"Was heißt nicht direkt?"
"Er ist neu."
"Deine Mutter hat einen Lover? Mach's nicht so spannend!"
"Er heißt Nilo Fanelli."
"Hat er wenigstens ein Kondom benutzt?"
"Was ist ein Kondom?"
"Kind, wann wirst du endlich erwachsen?"
"Sag schon!"
"Das ist zum Schutz der Welt. Aber nur für die Männer. Warum glotzt du mich so an? Ist doch logo. Oh, Felice! Du musst noch viel lernen. Das hast du schriftlich von mir. Und? Wie sieht er aus, dein neuer Daddy?"
"Ich finde ihn sehr sympathisch."
"Wie er aussieht, Mann!"
"Attraktiv, muss man sagen."
"Wie lange kennt ihr Euch schon?"
"Ach weißt du, ... eigentlich eine Ewigkeit. Ich muss ihn nur noch rumkriegen, damit er mein Zimmer aufräumt."
"Du hast Sorgen."
"Aber behalt's für dich."
"Er weiß es also gar nicht."
"Was?"
"Dass er dein Papa ist."
"Klar weiß er das. Du bist doof."
"Wenn du mich fragst: Du hast gar keinen Vater."
(S. 23)

© 2001, Reclam Verlag, Leipzig.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.