Leseprobe:
Pater Laurenz kommt pünktlich am Mittwoch um sieben Uhr abends. Er bringt Blumen mit, die in seiner fleischigen Hand klein und zerbrechlich aussehen. Der Anblick der Blumen rührt sie, ihr scheint, als lägen mit den Blumen ihre Finger in dieser großen Männerhand. Pater Laurenz ist ein schwerer Mann, mit derben Gesichtszügen und gutmütigen, braunen Augen. Sein praller Bauch ruht auf seinen Oberschenkeln, wie er bei Tisch sitzt, das Roastbeef in den Senf tunkt, vom Weißbrot abbricht. Sie ist nervös und erteilt ihrem Enkel, der missmutig dasitzt, geflüsterte und gezischte Aufträge: Schenk noch Wein nach, biete Käse an, hol Mineralwasser, wo sind die Kirschtomaten? Ihr Enkel tut, wie ihm geheißen, doch siehr er sie verärgert an, was sie mit maßregelnder Miene erwidert. Dass ihre Blicke vernichten könnten, haben ihr viele Verehrer gesagt. Augen, so blau wie in Milch gekochte Verbissmeinnicht, hat ihr Volksschullehrer schon gesagt. Etwas von dieser Kraft muss doch noch in diesen Augen wohnen, sagt sie sich, sie ist doch noch eine stolze, schöne Frau, und so sieht sie voll Strenge ihrem Enkel nach, der Wein aus der Küche holt. Dann wendet sie sich mit einem hingebungsvollen Lächeln ihrem Gast zu.
(S. 118–119)
© 2014 Leykam Verlag, Graz.