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Christian Dürr: Die Befreiung oder Marcelos Ende.

Roman.
239 Seiten; geb.; Euro (A) 19,00.
Wien: bahoe books 2019.
ISBN 978-3-903290-11-2.

Autor

Es gibt abscheulichste Verbrechen, bei denen die Täter keiner Gerechtigkeit zugeführt werden können, weil es keine Zeugen gibt, die die Wahrheit aussprechen wollen. Gleich zwei solcher Fälle größter Unmenschlichkeit stehen im Zentrum des Romandebuts von Christian Dürr, Jahrgang 1971. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Kurator der KZ-Gedenkstelle Mauthausen und hat sich als Research Fellow an der Universidad Nacional de Tres de Febrero in Buenos Aires mit Zeugnissen von Überlebenden der geheimen Folterlager während der argentinischen Militärdiktatur beschäftigt.

Im Schicksal der Familie Gluckstein verbinden sich die Auswirkungen der Shoa und der Folterkammern der argentinischen Militärdiktatur. Manuel Gluckstein wird 1947 im DP-Lager Bindermichel in Linz geboren. Seine Eltern emigrieren mit dem dreijährigen Buben nach Argentinien, wo sich die Mutter immer mehr zurückzieht, weil sie mit der Vergangenheit nicht zurecht kommt. Der Vater widmet sich diversen Geschäften und schweigt. Was ihn allerdings nicht loslässt, sind die Ereignisse des Massakers von Rechnitz im März 1945, bei denen der Großvater Manuels ermordet wurde. Seinen Vorstellungen nach soll der Sohn Buchhalter werden, da man in der Welt der Zahlen quasi in einem politikfreien Raum lebe. Manuel entscheidet sich allerdings für ein Soziologiestudium, wird politisiert und Teil einer militanten, nicht näher genannten linksperonistischen (?) Organisation. Schließlich wird er festgenommen, in einem unterirdischen Verlies gefoltert, aber anders als seine Freundin nicht umgebracht, sondern vom Chef der Folterer, der sich Marcelo nennt, unter der Bedingung frei gelassen, dass er sich regelmäßig telefonisch melde. Marcelo schafft es, Manuel in einer psychischen Abhängigkeit zu halten und sogar das Vertrauen von dessen Vater zu gewinnen. Wie den Zeugen der Mordnacht von Rechnitz gelingt es Manuel nicht, vor Gericht den Täter zu identifizieren. Wie Manuel sich aus seiner Lage befreit, sei hier nicht verraten, wirft aber nicht wenige Fragen auf.

Christian Dürr legt mit diesem Buch einen fiktionalen Text vor, in dem durch geschickten Einsatz von "Dokumenten" ("Aus den Sachen der Mutter", "Aus den Sachen des Vaters"), Protokollen und Verweisen auf Presseartikel höchst glaubhaft Authenzitität erzeugt wird. Daneben gibt es manchmal auch Stellen parabolischen Sprechens, die wiederum das Fiktive des Werkes deutlich machen. Jedenfalls ist das Buch gekonnt komponiert und sowohl die Schilderungen der Erlebnisse im Folterverlies als auch der Umgang der Davongekommenen mit ihren Erinnerungen wirken überzeugend.

Manuel Gluckstein schreibt immer wieder in ein Notizbuch und fragt sich, für wen. "Für irgendjemanden, der sich in einer unbestimmten Zukunft vielleicht ein Bild davon machen möchte, wer er, Manuel Gluckstein, gewesen war?"
Manuel Glucksteins Leben ist überhaupt nicht außergewöhnlich. Doch sein Notizbuch zeigt, wie leicht das Leben eines Menschen im brutalen Spiel der Mächtigen zerstört werden kann. In diesem Sinne ist Christian Dürrs Roman lehrreich und kann nicht ernst genug genommen werden.

Helmut Sturm
13.01.2020

Originalbeitrag
Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

 

 

 

 

 

 


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