Textprobe:
Man vernimmt Eleonores Würgen im Hintergrund, während Elisabeth aufgebracht schnaubt: »Hat der Flegel gerade alte Lady zu mir gesagt?«
»t-t-tut mir l-leid! ich w-w-w-weiß ihren n-namen nicht!«, stammelt Kevin, dem die Situation sichtlich unangenehm ist.
»das ›Sie‹ kannst du dir sonst wohin stecken, ich heiße Elisabeth.«
»o-okay«, sagt Kevin, während er sich erhebt, um zu Eleonore zu gehen.
»Sitzen geblieben!«, befiehlt Elisabeth. »Was raus muss, muss raus.«
Bob stöhnt. »Mama, ich bitte dich!«
»du hast als Baby auch unentwegt gekotzt. Und jedes Mal, wenn du mitten in der Nacht mit einem anderen besoffenen Luder heimgekommen bist, haben die auch gekotzt. Sind sie daran gestorben? nein. Hat dich das damals interessiert? Auch nein.«
Bob senkt beschämt den Kopf, um sich seiner Mutter geschlagen zu geben. darin hat er Übung. ich frage mich, wie viele Schlachten er schon gegen sie verloren hat.
Eleonore würgt noch immer. Kevin steht unschlüssig halb erhoben zwischen Tischkante und Bank eingeklemmt und wagt nicht, sich zu rühren. noch ein paar Minuten länger in dieser Position hätten garantiert höllischen Muskelkater in den Oberschenkeln zur Folge.
»ich glaube, wir beruhigen uns jetzt alle mal«, mische ich mich ein. »Kevin, geh zu Eleonore. Bob, wir alle haben schon einmal gekotzt und uns betrunken. Elisabeth – es ist so nett, dass du heute für uns gekocht hast, aber das kann wirklich kein Mensch essen, sei mir nicht böse.«
Stille legt sich über uns. Bob sieht mich verschreckt an, Kevin macht sich mit Justin auf dem Arm aus dem Staub und Elisabeth starrt mir ins Gesicht. ich bekomme es mit der Angst.
Aber dann lacht sie. immer bin ich überrascht, wie freundlich und hell ihr Lachen klingt.
»So ein Miststück!«, ruft sie fröhlich. »du bist so ein Miststück!« ich nehme an, sie meint es im Guten, denn sie fügt hinzu: »Ich habe ein Geschenk für euch zwei.«
Vom plötzlichen Themenwechsel überrascht, tauschen Bob und ich Blicke. nicht zum ersten Mal bekomme ich eine Ahnung von den interessanten Welten, die sich hinter diesen dunklen Augen verbergen.
Elisabeth kramt in der Kredenz herum und fördert einen Briefumschlag zutage. Sie wirft ihn zwischen Bob und mich auf den Tisch.
»das habe ich bei der Polizei gewonnen. Könnt ihr haben.«
Skeptisch sieht Bob sie an. »Was soll das heißen, du hast das bei der Polizei gewonnen?«
»Warum musst du immer so viele Fragen stellen? Hast du Angst, da könnte eine Briefbombe drin sein oder was? Hör mal auf, dich zu fürchten, Junge, sonst verschrumpelst du wie eine Rosine. Sogar vor denen hattest du früher Schiss!«
»na, das ist doch nicht normal. niemand gewinnt etwas bei der Polizei!«
»Willst du mir damit sagen, ich spinne? Würde es dir besser gefallen, ich behaupte, eine Brieftaube hat den Umschlag gebracht?
Ich höre die Klospülung, und wie auf Knopfdruck beginnt Justin beim ersten Geräusch zu weinen. Seltsames Kind. Unschlüssig denke ich darüber nach, ob es nun besser ist, vor Rosinen oder vor dem Geräusch einer Klospülung Angst zu haben.
(S. 117-118)
© 2020, Edition Atelier, Wien.