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Robert Seethaler: Der letzte Satz.

Leseprobe:

Vergebens versuchte er, sich an Einzelheiten jener ersten Schiffsreise zu erinnern, doch er fand kaum noch ein klares Bild. Er erinnerte sich nur an den Wind und die eisige Kälte. Einmal hatte er eine ganz Nacht ohne Hut und Handschuhe auf dem Vordeck gestanden und in die rauschende, nur hie und da von einem vagen Glitzern erhellte Dunkelheit geschaut. Dass ihn zwei Offiziersanwärter kurz vor Sonnenaufgang entdeckten, aus seiner Erstarrung rüttelten und in Decken gewickelt in seine Kabine brachten, hatte er nur noch mit stillem Erstaunen wahrgenommen.
"Wir sind noch lange nicht da, oder?", hatte er gefragt, als sie ihn auf sein Bett legten und ihm die Schuhe auszogen.
"Noch lange nicht, Herr Direktor."
Er hatte den Burschen seine steifgefrorene Hand entgegengestreckt, hatte sich bedankt und war eingeschlafen.
Das war alles. Der Rest war Konfusion. Die Schwebeteilchen seiner Erinnerung wirbelten durcheinander und setzten sich erst langsam wieder zum Bild des Hafens von New York zusammen, wo er erneut auf dem Vordeck stand, diesmal aber neben Alma und mit der kleinen Anna an der Hand, und sah, wie ein Trupp schwarzgesichtiger, mit Sägen und Hacken ausgerüsteter Dockarbeiter unter lautem Geschrei und Gelächter hölzerne Gerüste zerlegte.
Auf seiner Kiste auf dem Sonnendeck dachte Mahler in einem Anflug bösartiger Resignation an die Nichtigkeit des Lebens. Es war kaum mehr als ein kurzes Ausatmen, ein Hauch im Weltensturm, und doch liebte er das Leben so sehr, dass ihm die Traurigkeit über die Vergeblichkeit dieser Liebe das Herz zerreißen wollte.
"Es hätte alles anders kommen können. Wir hätten hinüber ans andere Ufer schwimmen sollen. In der Mitte umzukehren war ein Fehler. So etwas macht doch kein Mensch".

(S. 81f)

© 2020 Hanser Berlin

 

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