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Simon Sailer: Die Schrift.


Leseprobe:

Kaum hatte Leo die letzten Brösel Watruschka aufgepickt und einen Schluck Tee getrunken, da bat ihn Immensteiner ins Nebenzimmer, vorgeblich, um mit ihm eine Zigarre zu rauchen, eine Don Diego, die er erst sich selbst und dann Leo unter die Nase rieb, sodass Leo nichts übrigblieb, als die Zigarre zu loben und Immensteiner in sein Arbeitszimmer zu folgen. Immensteiner klemmte Leos Zigarre in den Zigarrenschneider, aber ließ die kleine Guillotine noch nicht zuschnappen.
»Stimmt es«, fragte er, »dass du in den Besitz einer besonderen alten Schrift gelangt bist?«
Leo schüttelte den Kopf. »Wie kommst du darauf?«
Er streckte die Hand nach der Zigarre aus, zog sie allerdings zurück, als er merkte, dass Immensteiner noch nicht geschnitten hatte.
»So ein seltener Fund spricht sich herum«, sagte Immensteiner und sah Leo prüfend an. »Setz dich doch.«
Immensteiner wies auf einen der beiden dunkelgrün gepolsterten Sessel am Kamin, in dem kein Feuer brannte. Er wartete, bis Leo saß und ließ den Zigarrenschneider zuschnalzen, sodass der Abschnitt auf den Boden sprang und über den Teppich kullerte. Schließlich reichte er Leo die Zigarre zusammen mit einem Streichholz und einem Aschenbecher und setzte sich ihm gegenüber, wobei er den Sessel nur leicht mit dem Hinterteil berührte und sich weit vorbeugte, als lauerte er auf eine Maus.
»Es ist kein Geheimnis«, sagte Leo, »dass man diesbezüglich an mich herangetreten ist.« die Situation war ihm unangenehm, und er hoffte, sie mit Offenheit entschärfen zu können. »Man bot mir eine alte Schrift an. Das heißt, man kündigte an, sie mir anzubieten, aber die Sache ist im Sand verlaufen.« Er paffte die Zigarre und hustete.
»du musst es mir nicht sagen, wenn du nicht willst«, sagte Immensteiner, »aber sei vorsichtig.«
»Ich war vorsichtig. die Art, wie man an mich herangetreten ist, war höchst dubios.«
Leo überkam plötzlich das Gefühl, einen Fehler begangen zu haben, indem er so offen gesprochen hatte, und es schien ihm nicht ratsam, an der Strategie festzuhalten, zumal Immensteiner ihm seine Offenheit als Misstrauen auslegte: »Also bin ich der Sache nicht weiter nachgegangen.«
»Das war sicher klug. Pass auf!« Immensteiner deutete auf die Zigarre, die Leo in der Hand hielt und von der ein langes Aschestück drohend über dem dunklen Perserteppich hing. Leo sah die Gefahr und versuchte, die Zigarre über den Aschenbecher zu bewegen – die fahrige Bewegung ließ die Asche auf den Teppich fallen. Leo entschuldigte sich wortreich. Er wollte die Asche aufheben, begriff aber, dass es unfein und aussichtslos wäre. Man würde ein Schäufelchen brauchen.

(S. 35-36)

© 2020 Edition Atelier, Wien

 

 

 

 

 

 

 

 

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