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Hans Platzgumer: Bogners Abgang.


Zeugenaussage

Frau Evelyn Praxmayr, wohnhaft Leopoldstr. 35, 6020 Innsbruck,
Fr., 6.4.2018, 09:21

Also, Sie müssen wissen … Ich bin ja nicht mehr die Jüngste … Ich geh gern früh ins Bett, ich steh ja auch früh auf, sehr früh meistens … Ich weiß nicht, was für Sie früh bedeutet? Wann steht man denn als Polizeibeamter auf? Wahrscheinlich auch zwischen sechs und sieben? Also, ich steh immer vor sechs auf. Da ist es meistens noch dunkel. Erst jetzt im April geht's langsam los, dass es um sechs dämmert. Und die Vogelen, die zwitschern schon. Ich liebe das, aufzustehen, wenn die Vögel zu singen anfangen. Da ist auch noch kaum Verkehr, da kann ich das Fenster aufmachen und komm mir vor wie auf dem Land. Wissen Sie, ich bin ja nicht ursprünglich Innsbruckerin. Aufgewachsen bin ich in Vomp. Mein Mann und ich – der liebe Gott hab ihn selig – sind erst in den siebziger Jahren herübergezogen. Der Bertram hat bei der Post eine gute Stelle bekommen. 1974 war das, auch im Frühjahr, ich erinnere mich genau, da hat auch grad alles zu blühen angefangen. Mein Gott, lang ist es her. Aber Vomp, dem trauer ich nicht nach. Gehen S' heut einmal nach Vomp, dort ist noch mehr Verkehr wie mitten in Innsbruck. Das hat's schon gebracht, das Parkpickerl hier, kommt mir vor. Der Lärm, die Abgase, das ist schon besser geworden. Auf jeden Fall bin ich abends natürlich recht müde. Ich trink noch mein Weindl und richt mir eine Jause, einen Kohlrabi schneide ich mir, zum Beispiel, gerne auf, oder einen Apfel, darauf achte ich sowieso, dass ich jeden Tag einen Apfel iss. Das ist das Geheimnis meiner ewigen Jugend. Ha! Jetzt hab ich sogar Sie ein bissl zum Lachen gebracht. Sie sind ja ein ganz ein Ernster, das ist mir schon aufgefallen. Und dann setz ich mich vor den Fernseher und schau irgendeine Serie, was halt kommt, der Bulle von Tölz, oder die Rosamunde Pilcher find ich auch nett, oder die Millionenshow. Den Assinger hab ich recht gern. Sie auch? Und dann werde ich so müde, dass ich vor dem Fernseher einschlaf. Wenn ich aufwach, dann läuft schon Zeit im Bild 2, und dann schau ich da noch ein bissl zu, und dann raff ich mich auf und geh richtig ins Bett. Manchmal schlaf ich da gleich wieder ein, manchmal aber kann ich ewig nicht mehr schlafen. Da geht mir plötzlich so viel durch den Kopf. Schöne Sachen manchmal. Manchmal aber auch schiaches Zeug. Das wollen Sie jetzt gar nicht wissen, was. Damit will ich Sie nicht belasten. Ich sag nur: Schön ist es nicht immer. Aber gestern, am Donnerstag, da hat's ja so geregnet draußen. So ein Tiefdruckwetter macht mich besonders müd. Ich bin sicher schon um zehn, Viertel nach zehn im Bett gelegen und hab geschlafen. Manchmal muss ich eine Schlaftablette nehmen, oder eine halbe. Aber gestern hätt ich wahrscheinlich noch Stunden gut weitergeschlafen ohne alles. Aber dann eben schreck ich plötzlich hoch, weil da so ein Knall ist. Von der Straße her. Ich bin sofort hellwach gewesen. Hab gleich gewusst: Da ist was passiert. Auch ein Krachen hab ich gehört. Glaube ich. Ich bin sofort auf und hab die Vorhänge aufgezogen, und unten auf der Straße seh ich ein Auto, das fast wie auf der falschen Straßenseite wegfährt, Richtung Südring. Geschwankt hat es. Weiter vorne ist es wieder auf die rechte Spur, dann hab ich's natürlich nicht mehr lange gesehen, ich glaub, oben bei der Kreuzung ist es nach rechts hinüber abgebogen. Und dann erst ist mir aufgefallen, dass da ja einer liegt! Halb auf der Straße, halb auf dem Gehsteig. Ein Mann. Für so was habe ich einen Blick. Es war ein Mann, ganz dunkel angezogen. Das sollte man halt als Fußgänger nie tun, nachts, im Regen noch dazu, ganz dunkel. Da sieht man den natürlich nicht. Oder eben erst zu spät. Ich sag jetzt nicht, dass es seine eigene Schuld war, verstehen Sie mich nicht falsch! Jedenfalls hab ich sofort eins und eins zusammenzählen können. Ich hab sofort kapiert: Das Auto hat den niedergefahren. Dann hab ich Sie angerufen. Nicht Sie persönlich, die Polizei halt. Also in meiner Aufregung – nur weil Sie ja alles ganz genau wissen müssen – hab ich zuerst fälschlicherweise die Feuerwehr angerufen. 122 und 133 verwechselt man ja leicht. Ich weiß, man kann es sich alphabetisch merken, zuerst Feuerwehr, dann Polizei, dann Rettung, deswegen eben 133, wenn ich mit Ihnen reden will. Aber ich bin ja nicht mehr die Jüngste. Und dann ist eh gleich das Einsatzfahrzeug gekommen. Und ein Rettungswagen auch. Das wissen Sie ja alles … Also was ich Ihnen sagen kann … Ganz hundertprozentig sicher kann ich mir nicht sein. Es war ja dunkel und alles. Aber ich würde sagen: Das war ein deutsches Auto. Also nicht die Automarke. Damit kenn ich mich nicht aus, ob das jetzt ein Audi, ein BMW oder was war. Ein Renault, so eine Ente, war's sicher nicht. Die Franzosen sehen anders aus. Es war schon ein Deutscher, ein eher altmodisches Auto, ein graues, blau vielleicht, eher klein, kein MINI Cooper, aber ein kleiner PKW halt, grau, würd ich sagen, ja, und vom Kennzeichen her ein Deutscher. Da bin ich mir fast sicher. Die Deutschen haben ja ein bisschen andere Nummerntafeln. Man sieht bei uns ja andauernd Deutsche. Manchmal kommt mir vor, es gibt mehr Deutsche wie Tiroler in Tirol. Das Auto gestern Nacht war mit Sicherheit keine Innsbrucker Nummer. Ich kann Ihnen die Nummer nicht genau sagen, aber es war hundertprozentig kein I. Auch kein IL oder SZ. Die Schwazer Kennzeichen fallen mir als alter Vomperin natürlich auf. Es war eher ein B oder ein M vielleicht. Ein Münchner? Das könnte gut sein. Oder was ist das B … Berlin? Auch das könnte sein. Ich denke, es war ein B. Obwohl es wahrscheinlicher wäre, dass es ein Münchner war. Der käme nicht von so weit her. Sagen wir: ein Münchner oder ein Berliner. Auf jeden Fall ein Deutscher. Dass es ein Piefke war, dafür würd ich meine Hand ins Feuer legen.

(S. 64 – 67)

© 2021 Zsolnay Verlag, Wien

 

 

 

 

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