In der Nacht nach dem Unglück
In der Nacht nach dem Unglück saß ich in Ruhe gelassen in der Gaststube des Lerchenhofs. Amrei schlief oben im Zimmer. Für den kommenden Vormittag erwartete ich meine telefonisch verständigte ältere Schwester, sowie Bert [Sohn der Frau aus erster Ehe] und meinen in Deutschland lebenden Bruder, der mit Familie soeben in Österreich Urlaub machte. Den mir und Uta zunächst stehenden Freunden zu schreiben, war mir dringendstes Bedürfnis, ich wollte nicht, dass sie sich zu lange in Ungewissheit über meinen Zustand befänden. Ich hatte schon in einer frühen schlaflosen Stunde der Nacht darüber gegrübelt, wie ich die Verständigung am schonendsten sowohl für mich wie für die Freunde abfassen würde. Immer wieder musste ich die Namen Uta, Mathis und Ulrik schreiben. Die gebetsmühlenartige Wiederholung der immer selben Worte beruhigte die kreisenden Sinne mehr als die ziellose Grübelei. Ich schrieb in dieser Nacht ans Ende der Briefe wahrheitsgemäß etwas, was mich aufrecht hielt und auch die Sorge und das Mitleiden der Freunde am ehesten zu beschwichtigen vermochte, knapp und unbeholfen: "Uta - sie hat mich reich zurückgelassen!" Vor mir lag, als die Morgensonne durch die kleinen Fenster der Gaststube schien, ein Stapel fertiger Briefe. Weiß und ohne Trauerrand, Ich hätte solches Papier hier nicht zur Verfügung gehabt, auch nicht verwenden wollen. [...]
© 2007 Czernin Verlag, Wien.