Du wirst morgen verreisen, für lang, und ich werde allein zurückbleiben mit meiner Verwirrung. Aber das Gespräch zwischen uns wird nicht abreißen; ich werde ein Tagebuch führen für Dich; Briefe schreiben an den Reisenden, an einen unbekannten Ort. So wirst Du mir nahe bleiben, und ich Dir - wenigstens in Gedanken. (S.9)
Draußen ist es schon dunkel, aber immer noch warm, und ich weiß noch nicht recht, was ich mit dem Rest des Abends anfangen soll - lesen oder ins Kino gehen oder jemanden anrufen, der mit mir ein Bier trinken geht. Es ist seltsam, weiter an Dich zu schreiben. Du warst lange fort, bist plötzlich wieder aufgetaucht, wie eine Gestalt aus einem Traum, und wieder verschwunden. Ich bin froh, dass Du noch einmal nach Linz kommst in ein paar Tagen, dass wir uns noch einmal sehen werden. Und dann... dann fängt wohl wieder so etwas wie Alltag an und wir werden uns wieder Briefe schreiben; lange nächtliche Episteln aus einer Stadt in die andere. (S.50)
Dir zu schreiben tut gut. Das Hochwasser beschäftigt mich sehr - "verstört" wäre ein zu starkes Wort, aber es geht mir nicht aus dem Kopf und ruft eine gdrückte Stimmung hervor, eine Mischung aus Furcht und Faszination. Wenn das Wasser zurückgeht, wird das Viertel da unten an der Donau schrecklich aussehern; alles wird verwüstet sein, voller Schlamm und Dreck. Wochen werden vergehen, bis wieder so etwas wie Normalität einkehrt. Ich glaube, in diesem Sommer werden wir keine gemeinsamen "Walfisch"-Abende mehr verbringen; so wie das heute ausgesehen hat, steht das Wasser in der Gaststube mindestens einen Meter hoch. Ich bin zu Fuß nicht einmal hingelangt; in der ganzen Straße sind die Häuser nur noch mit dem Boot zu erreichen. Ganz schlimm muss es in Ottensheim, Walding und Rottenegg sein; ich habe Bilder im Fernsehen gesehen, die ich nicht glauben konnte. Am Nachmittag habe ich versucht, eine Freundin in Rottenegg anzurufen, aber das Telefon war tot. Sie hat während der letzten zwei Jahre mit ihrem Mann das alte Bäckerhaus renoviert, in mühevoller Kleinarbeit; einen großen, üppigen Gemüsegarten angelegt. Das ist jetzt wahrscheinlich alles unter Wasser, Schlamm und Geröll begraben." (S.57f)
© 2004, Bibliothek der Provinz, Weitra.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.