"Wünschst du dir was zu Weihnachten?" säuselte Johanna, die sich schon wieder in Gregors Wohnung zu schaffen machte. War ein großer Fehler, ihr den Schlüssel zu geben, dachte er mürrisch: "Nicht zu Weihnachten, aber jetzt wünsche ich mir, daß man mich in Ruhe läßt, Anwesende mit eingeschlossen." "Ich wollte nicht bleiben", sagte sie schnell, "habe sowieso noch was vor." Sie ging in die Küche, nahm den Topf mit dem Gulasch, das sie gekocht hatte: "Den Topf bringe ich dir wieder, wenn ich alles aufgegessen habe."
Zu Hause stellte sie den heißen Topf auf einem Sessel ab. Sonst war kein Platz mehr frei. Wenn Leute so eng zusammenlebten, war es wie auf Messers Schneide, dachte sie. Dreißig, fünfunddreißig Wohnungen waren im Haus, ungefähr fünfzig Menschen, die auf dreihundert Quadratmetern zusammenlebten, wenn man die sechs Stockwerke zusammenfallen ließ. Wie im Knast, stellte sie sich vor. Und wenn dann Nachbarn viel voneinander wußten, sich das Wesentliche aber nur zusammenreimten, kam es unweigerlich zu diesen Abneigungen und Mißverständnissen. Johanna begann das ganze Geschirr, das in der Küche herumstand, in die Badewanne zu tragen. "Pfui Teufel", da wuchs schon der Schimmel. "Wenigstens ist Leben in der Bude", hätte Gregor wahrscheinlich geantwortet. Sie lächelte und wunderte sich zugleich, daß sie ihre stummen Zwiegespräche bereits mit Gregor abzuwickeln begann.
Der glaubte bestimmen zu können, wo es langging und wie weit man gehen könne. Und behauptete arrogant, er habe auf seine Art alles bekommen, was er wollte. Und dabei hatte er gar nichts. Saß jetzt sicher herum und soff sich an, weil ihm alles über den Kopf wuchs. Aber gegen ihre Hirngespinste hätte er nichts, der Herr Obernormalo! Was hatte sie mit diesen Leuten gemeinsam, außer den gleichen Eingang und den Lift?
(S. 77/78)
© 2006, Zsolnay Verlag, Wien.