Eines hätte niemals geschehen dürfen, damals, und doch hätte sie es nie ungeschehen machen wollen, gerade das nicht, sagte sie. Wir verbrachten einige Tage zusammen am See, die Kleine spielte friedlich am Wasser, und wir lagen in unseren Liegestühlen, genossen die Sonne und den Blick auf die blühenden Sträucher am Ufer. Wir saßen da wie schon oft zuvor, und plötzlich sagte sie, ich werde dir alles erzählen. Ich hatte lange auf diesen Moment gewartet. Warum, hatte ich vor Jahren gefragt, und ein Nicken, aber keine Antwort erhalten. Ich ließ ihr die Zeit, den Anfang zu finden, irgendwann war es dann soweit, sie war bereit. Sie breitete die Geschichte Stück für Stück vor mir aus, und ich folgte den Bewegungen ihres Lebens, bis ich mehr und mehr selbst zu ihrem Schritt, ihrer Gangart wurde. Immer wieder kam sie auf das Thema zurück, spannte den Bogen jedes Mal ein senig weiter, setzte eins dazu und ein anderes daneben, darauf. Sie ließ mich an ihren inneren Regungen anteil nehmen, ich hatte es mir ja gewünscht. Nur Gründe konnte sie nicht angeben, nicht immer. Nicht da, wo ich die brennendsten Fragen hatte, etwa wissen wollte, warum sie meinen Vater verlassen hatte, um mit Bert, ausgerechnet mit Bert, zu leben. Warum sie ihren Mann verlassen hatte, vor welchem Hintergrund, mit welcher Hoffnung. Auch, warum sie uns Kinder später verlassen hatte, ohne jede Erklärung. Wir waren schon erwachsen, hatten jede das eigene Leben zu leben begonnen. Wir schienen sie nicht mehr zu brauchen und brauchten sie doch. Sie konnte sagen, was sie veranlaßt hatte zu gehen, doch sie konnte nicht erklären, warum sie es ohne ein Wort tat, tun mußte.
© 2002, Deuticke Verlag, Wien, Frankfurt / M.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.