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Leseprobe: Ondrej Cikán: Menandros und Thaïs.

Thaïs! Langsam bahnen sich unsere hufehebenden Pferde den Weg durch die armenische Wälder, die tief sind und weit. Die Stämme der Bäume sind breit und in den Kronen sammelt sich Nebel und Dampf. Von den Ästen schneit es winzige Affen, sie seilen sich wie Spinnen ab und bleiben schreiend und kratzend in unseren Augen und in den Augen der Pferde haften. Aber das ist nicht so schlimm. Sofort kommen dicke Falter geflogen und schlürfen sie wieder heraus. Wir folgen dem Fluss Halys, und immer wieder müssen wir seine Zuflüsse überqueren, deren Ufer unwegsames Gestrüpp umwuchert. Aber da ist er ein schmales Bächlein geworden, da verliert er sich schon im Gras und endlich erkenne ich zwischen den Stämmen, verborgen hinter scharfen Brombeersträuchern, das einsame Haus, in dem dich Philogamos versteckt hat. Laut rufe ich vor Begeisterung deinen Namen. Aber die Pferde sind unruhig.
– Mein Herr! Was sind das für entsetzliche Laute?
Ich verstumme augenblicklich. Ein Geräusch, als würden mehrstöckige Gebäude einstürzen, schwillt an und verhallt nach und nach in der Ferne.
Wir steigen ab und binden die Pferde an einen umgestürzten Baum. Wir kämpfen uns durch die Brombeeren. Wie öffnen die Tür, betreten das kleine Haus. Drinnen ist es finster. Eudromos holt den Kristallluster hervor und macht Licht. Der Freund des Philogamos, der dich hätte bewachen sollen, liegt da in einem See aus Blut, mit abgebissenen Armen und Beinen, und jammert.
Menandros! Ich trank gerade Tee und stand in der Hütte mitten im Wald am Fenster. Ich sah dem weißen Pollenflaum zu, wie er aus den hohen Kronen der Bäume auf die Blätter und Dornen des dichten Gebüschs segelte. Ich wusste, dass du bald, bald schon kommen würdest.
Da stürzte der Freund des Philogamos, der auf der Jagd gewesen war, herein und verriegelte die Tür.
- Schnell, weg da, leg dich unter das Bett, versteck dich!
Er lief zum Fenster, schoss einige Pfeile ab, dann eilte er auf die andere Seite des engen Raumes, der immer enger und enger wurde, und nahm sein schweres Schwert von der Wand. Draußen begann es zu regnen, die Pollen wurden zu Brei und unter der Tür war es feucht. Die Dachschindeln knirschten, die Erde erbebte und ließ die breiten Baumstämme wanken und stöhnen.
Ein schreckliches Auge erschien im Fenster und dann ein Maul, eine Nase, ein Ohr, und das Maul verzog sich abscheulich und öffnete sich, einzelne schwarze Zähne ragten hervor. Der Freund des Philogamos stürzte zum Fenster und stach sein Schwert mitten hinein. Aber das abscheuliche Maul biss zu, hielt die Waffe fest und ließ sie nicht los. Ich verbarg mein Gesicht in den Händen und versuchte, nicht zu atmen, und versuchte, mein Herz zum Schweigen zu bringen, und ich wollte, dass mich das Bett erdrückt oder dass mich die Bretter des Bodens verschlingen. Ich hielt mir die Ohren zu und hörte doch den Lärm des furchtbaren Kampfes, und ich hörte deine Rufe aus der Ferne, und ich hörte den Hufschlag deines Pferdes, das dich zu mir trug. Aber da zerbarst die Tür und ein Arm erschien und packte meinen Beschützer am Bein und hob ihn hoch zum schrecklichen Maul. Und dann das Geschrei. Eine Faust schlug Löcher ins Dach, durch die Regenwasser und Blut strömte und mein goldenes Haar verklebte. Ich hörte ein berstendes Schwert und brechende Knochen und stürzende Bäume und sich teilende Wolken, Felsen, die zu Haufen von einzelnen Brocken zerfielen, und eine dröhnende Walze rieb sie zu Kies. Das Blut in meinem Haar. Und du warst nicht da!
(S. 76-78)

© 2011 LABOR Verlag, Wien

 

 

 

 

 

 

 

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