Leseprobe:
76. Eis
Einerseits die schreckliche Vorstellung, in einem Schneesturm umzukommen. Anderseits die permanente Kälte in den ausgekühlten, leeren Räumen.
Im Winter fühlten sich die Radiatoren eiskalt an, bei strengem Frost wurden die sonst gekippten Fenster geschlossen.
Nachts kroch er aus mehreren übereinander geworfenen Decken hervor, um das Wasser abzuschlagen. In der klirrenden Kälte ging er vors Haus. Manchmal schöpfte er mit den Pantoffeln Schnee.
Dann zurück in sein Lager. Die Lider zudrücken und mit Schaudern an die fürchterlichen Stürme denken, die oben im Gebirge wehten.
Es galt (hier unten), nicht zu erfrieren. Nicht den Kältetod zu erleiden. Es galt, sich unempfindlich zu machen. Sich gegen das zu wappnen, wovon die Menschen nichts zu hören wollen pflegten.
Die Füße waren längst fühllos, aber in die Flanken bohrten sich lange eisige Nägel, die ihn bis zur Dämmerung wach hielten.
Die Kälte schärfte seine Wahrnehmung und hielt ihn davon ab, sich der Versuchung wohliger Müdigkeit hinzugeben. Er hatte auf der Hut zu sein, durfte sich keine Nachlässigkeit erlauben. Das Eis würde ihn nicht überraschen, der Frost ihm nichts anhaben. Er war kerngesund, durch und durch. Nur die Angst verließ ihn nicht.
(S. 122)
© 2001, Edition Pangloss, Wels.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.