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Leseprobe: H. G. Adler - "Eine Reise."

Die Wahrheit ist unbarmherzig, und ihr gehört der Sieg, dem selten geglaubt wird, denn nichts wird so hart verspottet als der endliche Sieg der Wahrheit, deren Geschichte von zahllosen erduldeten Beleidigungen erzählt, doch nie von einer endgültigen Niederlage. Am furchtbarsten wird die Wahrheit jenem, der sie nicht wagt, was sie ärger rächt als ihre Verspottung und ärger sogar als ihre Verschmähung. Wahrheit duldet nicht Flucht und heftet sich als Verfolgerin an, die durch alle Poren eindringt, bis sie das widerstrebende Herz erobert. Unbarmherzig also ist die Wahrheit jenem, der sein Herz ihr verschließen will und schließlich doch bezwungen wird, aber grausam ist sie nicht und wird nur von der Lüge so genannt, die sich mit dem Furchtsamen verbündet, um die Wahrheit zu bekämpfen und ihren Sieg bis zum Tage des Untergangs hinauszuschieben und zu verhindern. Aber dieser Sieg wird kommen, wenn die Gewohnheit zusammenbricht, sei es auch die letzte Gewohnheit, das Leben selber, das sein Ende wohl wissen, doch niemals glauben kann. (S. 66f.)

Paul ist ein Besiegter. Er muß sich beugen, sei es auch dem sanften Joch. Erst muß er sich bewähren, bevor man ihm vertrauen darf. Ist er nicht ein Opfer? Opfer sind Besiegte, auch wenn sie leben und besonders wenn sie leben. Doch wie kann sich Paul bewähren, wenn er so schwach ist? Wer hat ihn eigentlich besiegt? Der Sieger? Die Besiegten? Paul gehört zu beiden nicht. Fremd sind ihm Sieger wie Besiegte, keiner wird auf seine Worte hören. Die Sieger und Besiegten werden sich versöhnen, während er im Staube liegen bleibt. Nein, er liegt nicht, er hat sich nicht ergeben. Er wandert unverdrossen und will weiter. Er ist auf der Straße. Ein Heim hat er zwar nicht, doch einen Weg, der immer weiter führt. Ist das die Bahn des Bettlers? Man muß die Knechtschaft auf sich nehmen. Doch Paul war nie ein Knecht. Ein Unterworfener, doch noch gefangen Herr. Paul ist ein Bettlerkönig. Sein Reich hat keine Stätte hier und dort, auch die Straße ist nicht sein; er geht sie, weil ihn niemand hindert, doch er kann kein Recht verfechten. Zum Glück ist die Verwirrung viel zu groß, als daß ihn einer fragte. Paul ist im Niemandsland und will ins Jemandsland. Doch hat das Sinn? Ist es nicht besser, in der Unbestimmtheit zu verweilen? Man wird ihn nicht verhungern lassen. Mit jedem kann er sich verschwistern. Jedem kann er Freund sein; das ist leicht. (S. 240f.)

© 1999, Paul Zsolnay Verlag Gesellschaft m. b. H., Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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