Frankfurt / M.: Verlag Neue Kritik 1998.
(Apropos. 13).
139 S.; geb.; m. Abb.; Euro 15,-.
ISBN 3-8015-0322-4.
Die Zahl der Sekundärliteraturtitel zu Vicki Baum hält sich trotz einiger Jahrzehnte feministischer Literaturwissenschaft nach wie vor sehr in Grenzen. Das ist umso bedauerlicher, als sich in Werk und Leben dieser Autorin eine Fülle von paradigmatischen Aspekten zum Thema Literatur von Frauen kristallisieren. Schon 1998 legte der Verlag Neue Kritik in Frankfurt am Main einen kleinen aber feinen Band zu Vicki Baum vor, erschienen in der 1995 gegründeten Reihe "Apropos", die bislang u. a. Portraits von Margarete Buber-Neumann, Edith Stein, Helena Rubinstein Ethel Rosenberg oder Marlene Dieterich präsentiert hat.
Der einführende Essay von Katharina von Ankum liefert einen Abriss zu Vicki Baums Erfolgskarriere von der früh zur Erwerbsarbeit als Konzertharfinistin genötigten Hedwig Baum aus Wien über die smarte Redakteurin mehrerer Lyfestyle-Magazine des Berliner Ullstein Verlages zur gefeierten Hollywood-Autorin in Amerika.
Nach dem durchschlagenden Erfolg ihres Romans stud.chem. Helene Willfuer 1929 wurde sie vom Ullstein Verlag zum "Markenartikel" gestylt. Vicki Baum als Inbegriff der neuen, aktiven Frau: mit Bubikopf, beruflich erfolgreich, zugleich Mutter von zwei Söhnen, im Fitness-Studio am Punchingball dem neuen Körperkult ihren Tribut abstattend. Als sie, bereits 1931, nach Amerika ging, setzte sich ihre Popularität im Anschluss an den Broadway Erfolg von "Menschen im Hotel" fort und erhielt neue Nahrung mit der Filmversion "Grand Hotel" 1932 mit Greta Garbo.
Dennoch, und das macht Ankums Essay an allen Punkten spürbar, war Vicki Baums Leben keineswegs so bruchlos, wie diese Daten vermuten ließen. Sie blieb gespalten zwischen Europa und Amerika, kam mit den Usancen der Drehbuch-Serienproduktion à la Hollywood nicht klar und litt bis zuletzt unter dem Verdikt der "bloßen Erfolgsautorin", obwohl sie den ökonomischen Aspekt ihres Schreibens stets betont hatte und ihren literarischen Wert selbst sehr realistisch einschätzte: "Ich bin eine erstklassige Schriftstellerin zweiter Güte".
Sowohl Vicki Baums Erfolge als auch ihre Lebensbrüche lassen sich auch aus dem umfangreichen Bildteil des Bandes herauslesen. Der dritte Abschnitt bringt Textbeispiel zu ihrem Leben und Werk. Die Auswahl wird hier nicht ganz durchsichtig, einige erklärende Hinweise wären vielleicht dienlich gewesen. Jedenfalls sehr erfreulich ist der Abschnitt aus dem aktuell nicht erhältlichen Roman "Hotel Berlin '43", der mit einem Bombenangriff auf Berlin und einer sehr sensiblen Analyse schließt, was der Luftkrieg für die Bevölkerung in NS-Deutschland implizierten. Was den Abdruck dieses Textes bedeutsam macht ist sein Fehlen in den aktuell geführten Debatten um das Thema Luftangriffe und Literatur. Was die Charts nie erklomm oder rasch wieder in Vergessenheit geriet, hat aktuell einfach auch in der Literaturwissenschaft wenig Chance, wahrgenommen zu werden. Und dabei scheint es unwichtig, ob diese Rankings rein nach kommerziellen Kriterien erstellt werden wie die Bestsellerlisten oder wie die Bestenlisten nach dem Kapital der öffentlichen Wahrnehmung der Juroren.
Evelyne Polt-Heinzl
21. August 2003
Originalbeitrag