Umuts Wohnung ist tatsächlich sauber, er hat ein Arbeitszimmer, eine große Terrasse mit Bosporusblick und ein Schlafzimmer. Nichts weckt in mir das Bedürfnis, ein Foto zu machen.
Er hat einen weißen Apple-Laptop und spielt José Gonzales. Eigentlich perfekt. Hätte ich nicht Efe getroffen. Ich würde viel lieber in Efes Drecksbude schlafen. Wir schlafen umarmt ein, kein Sex, er akzeptiert.
"Darf ich deine Beine sehen?", fragt mich Umut am Morgen.
Warum willst du denn ausgerechnet meine Beine sehen? Die sind mit Abstand der hässlichste Teil meines Körpers. Ein bisschen Cellulitis an den Oberschenkeln, meine Füße sind eher riesig und ziemlich platt. Ich kann nur Turnschuhe anziehen, und ich achte immer darauf, dass sie meine Füße optisch verkleinern. Ach, das Tageslicht ist mein Feind, der Morgen tötet die Illusion, da wird die Tarnung entlarvt. Im Schutz des Discolichtes kann ich manchmal täuschen, da betone ich meinen Mund, gutes Parfum, die blonden Haare, ja, ich bin im Dunkeln schön.
"Warum willst du meine Beine sehen?", frage ich gereizt.
"Mir gefallen Beine."
Ich überlege: Okay, deine Schuld, du hast mich aufgerissen, du bist mir auf den Leim gegangen, jetzt musst du mit den Konsequenzen leben, mein Junge.
Ich zeige ihm meine Beine. "Deine Beine sind okay", meint er, mehr höflich als ehrlich.
Er steht auf, er will duschen. Er fragt, ob ich mit ihm duschen will. Hast du denn noch nicht genug gesehen? Wenn du so kreativ bist, könntest du dir vorstellen, wie ich als Ganzes aussehe. Also selber schuld, Bubi: Okay, ich komme.
(S. 122ff.)
© 2009 Styria Verlag, edition a., Wien-Graz.