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Hermann Broch: Hofmannsthal und seine Zeit.

Frankfurt/M.: Suhrkamp, 2001.
268 S., geb.; öS 218.-.
ISBN 3-5182-2342-9

Link zur Leseprobe

Weitausholend, nichts weniger als objektiv und systematisch und doch mit dem Schmelz und der Patina eines geistigen Kleinods versehen präsentieren sich die Überlegungen Hermann Brochs zu Hofmannsthal und seiner Zeit für den heutiger Leser. Broch schrieb seine Studie im amerikanischen Exil, wohin er nach der Okkupation Österreichs 1938 emigriert und wo er ab 1950 als Honorary Lecturer an der Yale University/New Haven tätig war. Es mögen wohl Erinnerungen, die Wiederaufnahme älterer Arbeiten, vor allem aber die Versicherung seiner geistigen Heimat gewesen sein, die zu dieser 1947/48 entstandenen Studie führten.

Breit angelegt, die Musik ebenso wie die bildenden Künste bedenkend, die Psychoanalyse, das Theater oder die Architektur, unternimmt es Broch zunächst, den kulturellen und geschichtlichen Hintergrund am Ausgang des Kaiserreichs zu beschreiben. Erst die zweite Hälfte des Buches ist der eigentlichen Hauptperson, Hugo von Hofmannsthal, gewidmet.

Die ursprünglich von der Grenze der Monarchie stammende Familie der Hofmanns hatte beim Börsenkrach von 1873 einen Großteil des Familienvermögens verloren; doch, immer noch wohlhabend, verwaltete nun der Vater, der Rechtsanwalt und Bankier Hugo von Hofmann, für seinen Sohn das Vermögen des mittlerweile vollständig assimilierten Haushalts. Broch beschreibt den 1874 geborenen jungen Mann, der sich früh für den Dichterberuf entschieden hatte und damit wohl den geheimen Regeungen seines Vaters gefolgt sein mag, als hochbegabtes Kind mit einer gewissen Anlage zum Narzißmus, empfänglich, sensibel, von der Heiligkeit der Kunst und Wahrheit überzeugt. Wie jeder wahre Künstler habe er in der Abgeschiedenheit, ja im Traumhaften gelebt und sich schon mit seiner Jugenddichtung dem dunklen Dreiklang von Traum, Tod und Leben verschrieben. Doch Broch sieht Hofmannsthal auch als Ästhetizisten und asketischen Kalkulateur des dekorativen Stils, ganz im Bann des künstlerischen und ethischen l'art pour l'art. Keine Bekenntnis- , sondern Erkenntnis-Lyrik habe er geschrieben, und wenn überhaupt, dann in seinen Essays etwas von seiner geheimen, autobiographischen Existenz preisgegeben. Ihn, den Essayisten, schätzte Broch denn auch am meisten, während er seinem librettistischen Opernschaffen eher skeptisch gegenüberstand.

Es ist eine europäische Geschichte des Fin des siècle, die hier geschrieben wurde, eine österreichische Geschichte, die Geschichte einer jüdischen Familie; - und es ist Brochs eigenstes, persönlich geprägtes Bild dieser Epoche:
Das Fin de siècle war - bereits in der Reflexion auf Hofmannsthals aphoristisches Werk zu Anfang des 20. Jahrhunderts - für Broch eine stillose Epoche, Hofmannsthals Werk das Symbol des verschwindenden Österreich, der manifeste Ausdruck eines vor allem wertmäßigen Vakuums. Hier sah Broch die unersättliche Dekorationslust jener Zeit erfüllt, wobei Hofmannsthal sich bei aller Eigenständigkeit letztlich diesem Vakuum assimiliert habe. Zum Antipoden jener Epoche der Stillosigkeit, der mangelnden Formzucht und all ihrer kompensatorischen Varianten (das Historisierende, das Übertriebene, die Manier) stilisierte Broch Karl Kraus, so wie bereits in Brochs frühen, kulturkritischen Schriften der Altersgenosse Hofmannsthals einen großen Einfluß auf sein eigenes Kunstverständnis ausgeübt hatte.

Was Broch bei seiner Bewertung von Hofmannsthal als Epigonen entging (und was er dennoch sah), war, daß nur ein Genie wie dieser mit dem eigenen Anspruch auf Askese und Reinheit inmitten der in der Tat sekundären Literatur seiner Zeit solch unvergleichliche Poesie schaffen konnte ("Ein Traum von großer Magie"), große musikalische Dichtung (die Broch allerdings im Schaffen Strauß' ebensowenig schätzte wie bei Mahler), ein unsterbliches Lebenswerk.

Wenn wir am Ende dieser Studie das Ausgebreitete überblicken und die Denkpositionen Brochs aus der Vielzahl der Detailbeobachtungen mitunter nur schwer zu erschließen sind, haben wir nicht immer Stichhaltiges erfahren. Dennoch - wir halten ein Zeugnis in Händen, was Dichtung und Dichter einem Homme de Lettres bedeuten können, was Broch an diesem Kollegen fasziniert, vielleicht - noch mehr - verunsichert haben muß. Deshalb ist diese subjektive und skeptische Zeichnung einer Epoche auch heute noch mehr als eine kulturwissenschaftliche Unterrichtung: es ist ein Dokument eines geistigen Lebens im Spiegel des anderen.

Iris Denneler
11. Juni 2001

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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