Milchmann
Ich wußte nichts
vom Milchmann daß er ankam
voll weißer Flüssigkeit
bei meiner Frau
dreimal die Woche
und Wochen flogen dahin
und sie die Flasche nahm
An ihren Lippen waren Rahm und Molkesaft
Eiweisfäden wenn ich nach Hause kam
Ich wußte nichts
von dieser Lebensmittelkraft
daß sie sein Milchprodukt so mochte
daß Gier in der Kehle pochte beim Trinken
Wer mochte es wissen
Und als ich es wußte
waren meine Knochen lahm
sie trockneten aus als das Wissen kam
Der Arzt sprach
er teilte die Wissenschaft
Kalzium mangle meinen Knochen
Trinken Sie Milch
trinken Sie Kraft mit all den Aufbaustoffen
Beim Trinken wird Gier
in der Kehle pochen sowie im Pulsschlag der Kuh
Das Euter ist prall wie im Stall eine Bäuerin lebt
sie lebt
und Knochen werden gesund
so ist sein Hoffen
wenn sich der Rahm aus der Molke hebt
Die Bäuerin hatte einen Mund
Die Kuh sah dümmlich aus
Der Arzt war im Stall
Er lehnte an der Wand
Applaus kam aus seiner Hand
und zeitgleich bestellte der Bauer sein Land
Des Bauern Knochen wurden krank
Er hatte noch nie zuvor den Stall gehaßt
die Knochenarbeit am Feld
den Mist das Vieh den Gestank und die Bäuerin
versank fortan beim Melken in Scham
sie trank nie wieder Milch wenn der Bauer kam
mit der Last seiner Ernte
Des Bauern Beine krachten
Die Bäuerin war eine melkende Frau
Der Arzt wußte es genau
Im Stall nebenan grunzten die Schweine
Und der Bauer griff sich ein Messer
er wollte sie schlachten
Ich mußte den Hof verlassen
ich wußte es genau und kehrte
heim zu meiner Frau ohne den Milchmann
zu hassen waren die Wochen dahingeflogen
Neue Zeiten würden in die Flasche passen
wo die Milch enthalten war
das weiße Leben
(S. 24f.)
© 1997, Igel Verlag Literatur, Paderborn.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.