logo kopfgrafik links adresse mitte kopfgrafik rechts
   
Facebook Literaturhaus Wien Instagram Literaturhaus Wien

FÖRDERGEBER

Bundeskanzleramt

Wien Kultur

PARTNER/INNEN

Netzwerk Literaturhaeuser

mitSprache

arte Kulturpartner

Incentives

Bindewerk

kopfgrafik mitte

Leseprobe: Ulrike Längle - "Tynner"

VI

Zu Hause ging alles unvermindert seinen gewohnten Gang. Der Roman über die Risse im Putz der Gesellschaft wuchs unter Schwierigkeiten, aber stetig, die Semmeln und der Kaffee standen jeden Morgen bereit. Nur etwas irritierte Tynner in letzter Zeit: Frau Rippe schien das Parfüm gewechselt zu haben, das heißt, sie benutzte eigentlich nie ein Parfum, sondern roch nur leicht nach Schweiß, was man den Räumen, in denen sie sich aufgehalten hatte, trotz der Putzmittel auch nach einiger Zeit noch anroch. In den letzten Tagen hatte sich dieser Geruch etwas verändert, ohne daß Tynner genau hätte sagen können, wie. Einmal war er auf ein Haar gestoßen, das in der Küche auf der Anrichte liegengeblieben war. Dieses Haar war überraschend hell, aber nicht grau, und ziemlich lang. So etwas war Frau Ripp bis jetzt noch nie passiert, sie war ansonsten die Reinlichkeit in Person.
Tynners Schlaflosigkeit wurde immer schlimmer, obwohl seine Lebensverhältnisse doch im großen und ganzen geregelt waren und er keinen Grund zur Beunruhigung gehabt hätte. Er wußte im Prinzip, wie jeder Mensch, daß er einmal sterben müßte, die Frage war nur, wann und wie. Jedes jahr Anfang August hatte Tynner jedoch heftige Attacken von Todesangst. Er war als Kind um diese Zeit einmal während einer schweren Lungenentzündung knapp dem Tode entronnen, seither kam die Angst jedes Jahr wieder. Schon einige Zeit vor dem kritischen Datum kam er morgens kaum aus dem Bett und lag noch eine Viertelstunde länger als sonst unter der Decke. Seine Wanderungen durch die nächtliche Wohnung wurden immer ausgedehnter, er nahm immer häufiger ein Buch aus dem Regal und blätterte darin herum. Einmal erwischte er das Traumbuch von Gyula Krudy, in dem aus allen möglichen Dingen mechanische Schlüsse auf die Zukunft gezogen wurden. (S. 23f.)

© 1996, S. Fischer, Frankfurt / Main.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Link zur Druckansicht
Veranstaltungen
Grenzenlos? (Literaturedition Niederösterreich, 2020) - online

Do, 14.01.2021, 19.00 Uhr Buchpräsentation mit Lesungen Die Veranstaltung kann über den Live...

Super LeseClub mit Diana Köhle & David Samhaber - online

Mo, 18.01.2021, 18.30-20.30 Uhr online-Leseclub für Leser/innen von 15 bis 22 Jahren Anmeldung...

Ausstellung
Claudia Bitter – Die Sprache der Dinge

14.09.2020 bis 25.02.2021 Seit rund 15 Jahren ist die Autorin Claudia Bitter auch bildnerisch...

Tipp
LITERATUR FINDET STATT

Eigentlich hätte der jährlich erscheinende Katalog "DIE LITERATUR der österreichischen Kunst-,...

OUT NOW flugschrift Nr. 33 von GERHARD RÜHM

Die neue Ausgabe der flugschrift des in Wien geborenen Schriftstellers, Komponisten und bildenden...