Leseprobe
Und was. Was, wenn wir im Wald spazieren gehen. Was, wenn wir aufbrechen, durch den Waldrand brechen wie durch die Wasseroberfläche, das Wasser schlägt über uns zusammen und legt sich in unsere Ohren und auf unseren Mund und auf unsere Haut, kriecht in jede Höhle und dämpft, wie der Wald alles dämpft, kaum hat man ihn betreten, und schließt sich hinter uns. Wir erkunden ihn, wir brechen durchs Unterholz, die Luft legt sich auf uns, wir springen über den Bach, über die nasse Erde. Der Wald ist schimmlig, weiß ich, und Lisa geht neben mir und ich kenne unsere Orte: eine Kuhle unter einem Fels, aus der wir die Bockerln geschaufelt haben und die vermoderten Äste, die mir in den Fingern zerbröseln, ein bißchen fester muss ich sie nur drücken und sie zerbrechen in weiche Fasern. Das Holz ist weich und feucht und die Erde weich und feucht und schimmlig und weich und feucht ihr Arm, als ich sie mir ins Dunkel hinunterziehe. Tief unten sitzen wir auf den Nadeln, atmen, schlingen die Luft hinunter und graben noch tiefer, um mehr Platz zu schaffen. Wohin mit der Erde, wohin mit den Bockerln, fragst du, und wir schichten sie auf zu einer Mauer, aber nichts Auffälliges, nichts, wodurch man uns entdecken könnte, sehen könnte, dass hier Hand angelegt worden ist, dass Hände gewühlt haben, dass Hände hier alles abgegriffen haben, darf man nicht sehen.
Wieder über den Bach steigen, die Hände ins Wasser, bis sie taub sind, graben im Uferschlamm, dort ist dieser kleine Wasserfall, kannst du dich erinnern, Lisa?
Ja, ich weiß, Karin, deine Finger im Wasser, deine Finger eiskalt, sie liegen auf meiner Wange, und wir liegen im Moos, halten und fest mit kaltem Griff.
(S. 209)
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