Leseprobe:
Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh’ ich wieder aus. Constant hat betont, dass in en paar Zeilen die ganze Tragödie zusammengefasst ist: Zwischen fremd und fremd hoffen wir auf die Liebe – die einzige wirkliche Hoffnung auf der Welt. Aber es wird meist nichts daraus. Das Mädchen sprach von Liebe, die Mutter gar von Eh, geredet ist leicht. Aber in Wirklichkeit: kein Mädchen, keine Mutter, keine Liebe. Dann bleibt nur der sanft rauschende Lindenbaum, um sich aufzuhängen. Aber wer sagt denn, fragte Constant, ob es stimmt: Du fändest Ruhe dort? Nicht einmal auf den Tod ist Verlass. Da packt dich womöglich etwas am Schlafittchen und verdonnert dich zu einer Wiedergeburt: „Das Ganze nochmals von vorn, und etwas besser, wenn ich bitten darf!“ Die Buddhisten haben recht, die Entlassung aus diesem Kreislauf anzustreben. Aber wer sagt, ob das je zu erreichen ist? Vielleicht wäre ja doch angezeigt, für etwas mehr Liebe auf dieser langen Winterreise zu sorgen, sodass die Eisblumen zu blühen beginnen?
Constant – Catherine
Wie ich überhaupt zur Geige gekommen bin? Das lasse ich lieber meinen Helden erzählen.
„Er war vier Jahre alt. Man hatte ihn in ein Konzert der Musikschule mitgenommen. Der hallende Saal schien ihm riesig. Weit vorne hoch am Podium klimperte die Schwester im tiefblauen Faltenröckchen, was er von daheim bis zum Überdruss kannte. Die Leute klatschten freundlich. Dann betrat ein pickeliger Jüngling die Bühne und klemmte ein Instrument ans Kinn. Er trug eine Art blässlichen Sonntagsanzug, was dem Kind eher verachtenswert schien. Doch die ganze Figur, selbst das langsame Stück, das er spielte, wurde vom Klang des Instrumentes überstrahlt. Der kleine Junge fühlte sich inmitten einer unerschöpflichen Kraft, umfasst und durchströmt von Energie. (...) Er neigte sich zu seiner Mutter hinüber und fragte: ‚Was ist das für ein Instrument?’ ‚Eine Violine.’ ‚Das möchte ich lernen!’
(S. 199ff)
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