Am Himmel flogen wieder Stare; sie zogen langsam, gedrängt; der schwarze Haufen bewegte sich über den Gran Raccordo Anulare . Was ist, warum lösen sie sich nicht auf, dachte ich, warum formieren sie nicht neue Verbände? Die Anführer werden doch viel zu sehr beansprucht. Ich schaltete das Radio ein, suchte einen Sender, drückte die CD-Taste. Es steckte keine Disk im Schlitz. Immer wieder richtete ich meinen Blick auf den hellen Himmel. Ich wartete darauf, daß sich die dunkle Wolke lichtete, aber die Stare flogen weiterhin eng zusammengepfercht, als wäre dort oben zuwenig Raum.
Ich beugte mich vor, langte nach dem Handschuhfach. Da war nur Papier, eine Zigarettenschachtel, etwas, das sich nach einem Taschentuch anfühlte. Wo hat Vittorio die CDs hingegeben. Ich bückte mich, suchte unter dem Beifahrersessel, tastete nach einer leeren Cola-Dose. Der Song "Every man has a man who loves him" fiel mir wieder ein. Ich richtete mich auf, schlug mit der Hand auf das Lenkrad. Eine der Brandblasen platzte auf; ich bemerkte es erst, als ich mit derselben Hand über die Stirn strich.
Ich sah auf die Straße, der Verkehr hatte etwas nachgelassen.
Das Auto vibrierte, weil ein Lastwagen vorbeirollte. Wieder schaute ich in den Himmel.
Ich muß noch Mutter anrufen. Sie weiß gar nicht, daß ich komme. Da - endlich scherten ein paar Vögel aus, ich erkannte die fernen Punkte. Meine Hand war noch immer unter dem Sessel, erwischte endlich eine Hülle, klappte sie auf - sie war leer. Immer mehr Stare flogen nun versetzt vor den anderen, bildeten nach und nach eine Linie. Jemand hupte. Ich erschrak, war zu weit links. Riß am Lenkrad. Ein Quietschen, ein Knall - (S. 229f.)
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