Leseprobe
Im ersten Stock zog er eine massive Metalltür auf, dahinter ein Raum, in dem rund zwanzig Männer und Frauen an Sandsäcken trainierten oder vor einer mit Spiegelglas verkleideten Wand schattenboxten. Links neben dem Eingang ein Schreibtisch, die Tür in ein Nebenzimmer stand offen, darin ein Sofa, ein Fernseher. Rechts hinter Vorhängen die Umkleiden. Jo hängte das Sakko über die Stuhllehne. Die Uhr vom Gelenk gelöst, auf den Schreibtisch gelegt, das weiße Hemd kam an einen Bügel. Was ich unten verdiene, sagte er, macht mich hier oben unabhängig. Er zeigte auf den Boden, er zeigte auf die Decke: die Autos, das Gym, gehört alles mir. Boxen ist nicht wie Fußball oder Skifahren, in Österreich bekommst du so gut wie keine Förderung, aber mir kann’s egal sein. Ich bin als Geschäftsmann, wie ich früher als Boxer war. Er warf einen Blick auf die am Tisch verstreuten Briefe und Werbesendungen. Wie warst?, fragte ich, und er zwinkerte mir zu: wie Rambo. Er suchte einen Flyer, darauf die Trainingszeiten und Kosten per Monat oder Jahr. Bei mir ist jeder willkommen, sagte Jo. Es ist mir egal, wer du außerhalb des Rings bist. Das Einzige, was mich interessiert, ist, dass du dich hier ordentlich aufführst. Religion bleibt draußen, Nationalität bleibt draußen, Politik bleibt draußen. Wer hier zu beten anfängt oder Parolen verbreitet, fliegt.
( S. 39f)
© 2019 Ullstein fünf, Berlin