Über eine Hürde springen, wie schwer das ist. Die Hürde kann heißen: Blindheit, oder Ausgeschlossensein.
Ein grauer Tag. Die Blätter der Kastanie vor dem Krankenzimmerfenster bewegungslos. Die Wolkendecke wie Beton. Schließt mich aus.
Ich nehme den Blick nicht mehr von der Kastanie. So lange, bis ich die Stacheln der einzelnen Fruchtschalen erkenne. Ja, hineintauchen. Mich nicht bewahren. Dabeisein. Aber wollte ich je wirklich dabeisein? Mehr als alles andere. Und wie habe ich mir das gezeigt? Indem ich floh. Auf der Flucht. Die Angst vor dem Stillstand. Weil es im Stillstand kein Entkommen gibt. Auch die Flucht kann ein Stillstand sein, das weiß ich jetzt. Endlich nicht mehr entkommen. Jetzt, in diesem Zimmer gibt es kein Entkommen. Die Herzkurve auf dem Monitor. Die Kanüle im rechten Unterarm. Alle zwei Tage wird sie gewechselt. Bald gibt es keine Stelle mehr, die in Frage kommt. Meine Venen sind wie aus Stein. Und doch bin ich nicht wirklich hier in diesem Krankenzimmer, in diesem Bett. Zu banal ist das Alltägliche hier, als daß ich es akzeptieren könnte.
© 2000, Haymon, Innsbruck.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.