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Arnold Höllriegel: In 80 Zeilen durch die Welt.

Vom Neopathetischen Cabaret bis nach Hollywood.
Mit Photos von Hans G. Casparius.
Herausgegeben von Christian Jäger und Gregor Streim.
Berlin: :TRANSIT, 1998.
127 S., m. Abb., geb.; DM 28.-.
ISBN 3-88747-133-4.

Link zur Leseprobe

"Nie gab ich eine bloße Beschreibung, immer mußte ein wenn auch mikroskopisches, so doch immer wahres Erlebnis im Mittelpunkt meiner Erzählung stehen. Das zwang mich zu einer schärferen Aufmerksamkeit, als sie dem Durchschnitt der reisenden Journalisten gewohnt ist; ich mußte etwas Interessantes und Charakteristisches erlebt haben, sonst konnte ich nicht schreiben."
Mit diesen Sätzen charakterisiert Bermann alias Höllriegel in seiner Autobiographie die Schreibregel seiner Reisefeuilletons. Sie kann, wie die vorliegende Auswahl seiner journalistischen Arbeiten für das "Berliner Tageblatt" beweist, durchaus als Prinzip seiner journalistischen Mikroskopie des fernen wie nahen Alltags seiner Epoche verallgemeinert werden. In einer knappen, klugen Auswahl werden dichte, (selbst-)ironische Expeditionsberichte eines neugierigen, staunenden Beobachters aus einer heillosen Welt vorgestellt, die, wie auch immer entzaubert, keineswegs wunderlos ist. In dem selbstreflexiven Feuilleton "Sich's klarmachen" ist davon die Rede: "Das alltägliche Leben ist nur deswegen so ungemein langweilig, weil wir es so wenig beachten; es ist aber zum Schreien drollig und zum Heulen tragisch, wenn wir es uns klarmachen." Am schwierigsten, so die Pointe, ist es, sich klarzumachen, "was es heißt: die Zeitung lesen".

In diesem geglückten Band erfährt man von Höllriegel nicht nur, wie eine Zeitung zu lesen wäre, sondern auch, was zu seiner Zeit in einer Zeitung zu lesen war und bis heute nicht selbstverständlich geworden ist. Wie das Vergessen die Gegenwart schwächt, ist dieser Auswahl zu entnehmen. Eben so deutlich wird, durch seine Kunst, die Dürftigkeit einer vergangenen Gegenwart, deren Heillosigkeit sich in diesen geschliffenen Essays zu erkennen gibt. Höllriegel ist die kulturkritische Klage zwar nicht fremd, aber er bietet sie in seinen Feuilletons nicht feil. Das ist eine ihrer Stärken. Die Klage über die idiotischen Filme beantwortet er beispielsweise mit einem "Lob der Kurbel". Man könnte diesen kurzen Beitrag durchaus als Lob eines neuen Sehens der Wirklichkeit verstehen, das erst durch das Kino möglich wurde. Neu und anders zu sehen ist der Antrieb für seinen Hunger nach Welt, sein Unterwegssein in allen Erdteilen, von dem in der Autobiographie erstaunlich wenig zu lesen ist. Der gefragte Reisereporter Höllriegel kennt seinen Preis, aber er taxiert die Dinge nicht nach ihrer Käuflichkeit: "Deswegen aber reise ich: überall ist Gewöhnlichkeit, Geschäft und Betrieb. Dann findet man zufällig eine Formel, einen Blick, eine Gelegenheit - und siehe da, es ist nicht wahr, die Welt ist ein buntes Märchen, nur äußerlich verhext, unter dem banalen Basartrödel liegen die Wunder, in östlichen Händlern die leidenschaftlichen Künstlerherzen."

Dieser Sehnsuchtsblick, der auf das Schöne aus ist, das nicht durch Geld und sein sprachliches Äquivalent, die Phrase, zu haben ist, reagiert empfindlich auf die künstlichen Paradiese, die dieses Begehren industrialisieren. Den Krisen in solchen Paradiesen spürt Bermann nach. Seine Beschreibung des reichen, hübschen, sauberen, "photographieschönen" Hollywood - es fehlt in dieser Beschreibung auch nicht der Topos seelenlos - endet mit der skeptischen Frage: "Kann in dieser Atmosphäre dieses wilde, unhübsche, freie Ding geboren werden, Schönheit?" Bermanns aufgeklärte Romantik ist nichts anderes als die unerfüllte Suche nach diesem "unhübschen, freien Ding". Die Enttäuschung übersetzt sich in die luzide Skepsis eines Schreibens, das sich niemals die Maske des Zynismus borgt, um urbane Professionalität zu demonstrieren.

Karl Wagner
9. November 1998

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