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Leseprobe: Michael Köhlmeier - "Calling."

Sie nahm den Hörer vom Ohr, hielt ihn eine kleine Weile noch in der Hand und legte ihn dann in das Plastikbett, das auf dem Apparat dafür vorgesehen war. Sie sah, daß das Unterteil des Gerätes dunkelblau war. Wo habe ich meinen Kopf gehabt, als ich dieses Ding ausgesucht habe, dachte sie und dachte, daß sie doch eine Antwort hätte abwarten, daß sie nicht hätte auflegen sollen; sah den Taxifahrer vor der U-Bahn-Station einem Gast die Wagentür öffnen und ahnte alles, was geschehen würde, und ein klammer Schrecken fuhr in sie, denn ihre Ahnung lief darauf hinaus, daß von nun an nichts mehr in ihrem Leben so sein würde wie bisher. Und daß alles andere Leben, das goldene, grüne, das autotürzuschlagende, namenrufende, wassertrinkende Leben draußen davon unberührt bleiben würde, was konnte das für ein Trost sein!
"Ruf an, bitte", flehte sie vor sich nieder.

"Fast hättest du alles verschissen! Und du willst, daß ich wenigstens die Form wahre! Ich habe keine Form. Und er hat auch keine Form. Wir beide hier an diesem Ende der Leitung, wir haben keine Form, kapier das! Ein Stück Welt ist im Begriff unterzugehen, und du möchtest, daß ich wenigsten die Form wahre! Verdammt noch einmal, du wärst schuld daran gewesen, wenn ich ein Kapitalverbrechen begangen hätte. Hörst du ihn?" Sie hörte nichts. Der kleine Finger der rechten Hand ließ sich nicht bewegen. Das Gelenk, wo der Finger aus der Hand trat, war nun hoch aufgeschwollen, glatt und glänzend rot. Weiter kein Blut.
"Bitte", sagte sie leise, legte die Hand auf die kühle Zudecke, wickelte sie ein, "bitte, hören Sie auf damit! Bitte! Lassen Sie ihn gehen! Sie wollen kein Geld, was wollen Sie, Sie wissen nicht, was Sie wollen, und wie sollte das überhaupt mit dem Geld gehen. Wollen Sie kommen und es abholen? Oder soll ich es Ihnen bringen? Wie soll das denn gehen? Das kann doch nicht gehen. Lassen Sie uns in Frieden! Ich kann nicht mehr. Ich habe meine Hand verletzt. Ich halte es nicht durch."
"Du hältst es nicht durch? Du? Bist du sicher?"
"Ich bin sicher, ja!" schrie sie ihn an.
"Werde nicht hysterisch! Sitzst du? Wenn nicht, dann setz dich!"
Sie blickte in den weißgetünchten Giebel hinauf. "Ja, ich sitze."

(c) 1998, Deuticke, Wien, München.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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