Während sich der Freier mit verzweifelter Vehemenz abarbeitet, transferiert der Dichter in ihm das sich anbahnende Desaster geschickt in die beliebte Form des zotigen, umgangssprachlichen Schnaderhüpfels, und der populäre Vortragskünstler Ferdinand Sauter, dem nachgesagt wird, dass er überhaupt keinen Genierer kennt, nimmt den Vierzeiler, da bin ich mir ziemlich sicher, mit entsprechender musikalischer Untermalung selbstverständlich ins Vorstadtwirtshausprogramm auf:
Ich stoß alleweil zua / Und mir kommt nit die Natur / Und jetzt glaub ich schon bald / I bin selber a Hur. Brüllendes Gelächter, Schenkelklopfen, Prost. Noch ein unterspicktes, aber grad so ein scharfes! Man kennt das. Während du schon nachlegst, will ich mich, wenn's gestattet ist, lieber Ferdinand, allerdings doch ein paar Augenblicke länger bei diesem nur an der Oberfläche wenig ergiebigen Text aufhalten, der, hingekritzelt auf die Rückseite eines leeren Versicherungspolizzenformulars, auf verschlungenen Wegen in die Handschriftensammlung des Wiener Rathauses Eingang gefunden hat.
Sauter muß also an die vierzig Jahre oder älter sein. Wie so oft bei ihm geht es nur vordergründig um einen seichten pornographischen Gspaß, und ich traue ihm zu, dass er sich der Schärfe solch unverstellter Gedankensplitter in allen Facetten durchaus bewusst ist, dass er die Schnittwunden in Kauf nimmt und sich trotzdem neben den anderen Kleidungsstücken erneut das enge Biedermeierkorsett auszieht. Es geht wieder einmal um nichts weniger als ums Eingemachte tradierter Selbstdefinition des Mannes
(S. 56f.)
© 2003, Haymon, Innsbruck.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.