"Die Sache ist zu weit gegangen", antwortete er nur. Er war merklich aufgeregt. Er ersuchte uns, ihn abends zu Hause aufzusuchen. "In eine Kneipe könnte ein Bekannter kommen, auch bei euch in der Redaktion könnte mich jemand sehen und dann daraus Schlüsse ziehen. Ich habe Angst - ich weiß selber nicht, was dabei herauskommen kann."
Bei der Rettung hat er nicht viel verdient. Für einen Arzt mit langjähriger Dienstzeit wohnt er bescheiden. In einem kleinen Zimmer eine Garnitur, eine Couch und Fauteuils aus falschem Leder.
Der Arzt schaute traurig drein.
"Ihr wißt sicher, was eine Haut ist?" fragte er.
Wir glaubten die richtige Antwort zu kennen. "Ein verstorbener Patient, den die Besatzung eines Rettungswagens und der Disponent an ein Bestattungsunternehmen verkaufen."
"Und habt Ihr gewußt, daß man Häute auch machen kann?"
Nach Wlodzimierz Sumera suchten wir ein paar Wochen lang. Vor einigen Jahren hat er mit Bestattungen ein Vermögen verdient. Jetzt steckt er in Schwierigkeiten. Er wohnt als Bettgeher bei der Familie. Vor ein paar Monaten wurde auf ihn geschossen, er meidet große Straßen und fremde Menschen.
Von der Ausbildung her ist er bildender Künstler. Ungefähr vierzig, mit dem Aussehen eines Studenten, dunkle Gläser auf der Nase. "Warum ich bereit bin, offen zu reden? Nicht etwa, weil ich ein ehrlicher Mensch wäre. Diese Sache hätte man längst in Ordnung bringen müssen, vielleicht gelingt es euch. Ich kann nicht viel zu meiner Rechtfertigung vorbringen. Höchstens, daß ich die Folgen nicht vorhergesehen habe, obwohl ich sie hätte vorhersehen müssen."
Über den Handel mit Häuten weiß Sumera beinahe alles. "Schließlich habe ich mir das Geschäft mit dem Rettungsdienst ausgedacht, daß wir die Häute von ihnen übernehmen."
An der Wende von den achtziger zu den neunziger Jahren arbeitete er nebenbei als Sanitäter bei der Rettung von Lódz. "Die Familien der Verstorbenen warteten oft stundenlang zu Hause, bis der Wagen vom kommunalen Bestattungsunternehmen kam und die Leiche ins Kühlhaus brachte. Doch die Zeiten hatten sich geändert, und ich war der Meinung, hier sei Platz für mein Business", erzählt er.
(S. 165f)
© 2006, Zsolnay Verlag, Wien.