Von Platon bis Sigmund Freud hatten die größten Geister der Menschheit versucht, das Phänomen Liebe dingfest zu machen, und herausgekommen waren lediglich verschiedene Modelle der sprachlichen Hilflosigkeit. Dabei waren es seltsamerweise ausgerechnet die seltsamsten Theorien, mit denen sich die Menschen am längsten beschäftigten. (S. 170)
"Also der Reihe nach. Du kennst doch Die Kunst des Liebens von Erich Fromm?"
"Nicht wirklich. Ist das ein Pornofilm für Frauen?"
"Stell dich nicht blöd! Pass auf! In dem Buch entwickelt Erich Fromm eine Theorie der Liebe. Er meint, dass Beziehungen meistens deshalb scheitern, weil man sich falsche Vorstellungen von der Liebe macht. Die Liebe ist nach Fromm eine Fähigkeit, die erst entwickelt werden muss. Die Menschen begehen den Fehler, immer nur nach dem Partner zu suchen, von dem sie geliebt werden können, anstatt die Fähigkeit zu entwickeln, selbst zu lieben, sprich: die Kunst des Liebens zu lernen."
"Ja und, was hat das jetzt mit deiner Schuhverkäuferin zu tun?"
"Ich habe mich entschlossen, wieder eine Beziehung einzugehen und dabei die Kunst des Liebens zu erlernen."
"Mit einer Schuhverkäuferin?"
"Bist du völlig versnobt oder was? Es ist doch egal, ob die Frau Schuhverkäuferin oder Universitätsassistentin ist, ob sie dick oder dünn ist, Afrikanerin, Asiatin oder Europäerin, ob sie gescheit oder nicht so gescheit ist, hässlich oder schön. Und überhaupt: Was ist gegen eine Schuhverkäuferin zu sagen?"
"Thomas, schau dich doch an. Du schreibst an deiner Diss. Du liest wie der Böse, verschlingst mindestens zwei Bücher die Woche. Man muss doch annehmen, dass du in einer Beziehung ein gewisses Bedürfnis nach geistigem Austausch hättest."
"Ich bin froh, wenn ich mich mal nicht geistig austauschen muss. Außerdem ist sie nicht dumm, nur weil sie Schuhverkäuferin ist. Das hätte ich doch gleich gemerkt, wenn sie nichts im Hirn hätte."
"Ja, aber es muss doch eine gemeinsame Basis geben!"
"Die wird es auch geben: Die Kunst des Liebens, Peter."
"Oje, die Kunst des Liebens! Und was macht ihr, wenn ihr euch gerade nicht künstlich liebt?"
(S. 31 f)
© 2005, Kitab Verlag, Klagenfurt.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.