aus dem flimmernden Licht tritt uns eine menschliche Gestalt entgegen. Wir blicken ihr nach und gewahren, daß der Saum ihres Schattens den Rand unseres Schattens berührt. Wo sich die beiden Schatten vermischen, gewinnt die Dunkelheit an Volumen, und an den Rändern staut sich das verdrängte Licht. Schon ist die Figur in der glüchenden Hitze des Sommertages verschwunden. Ist sie jemals da gewesen? Hat sie uns im Vorbeigehen angesehen? Sind wir für sie genauso flüchtige Erscheinungen, wie sie es für uns gewesen war?
Im Jahrhundert, in dem das Fleisch vom Knochen rinnt wie Kerzenwachs und der nackte Docht in der Mitte der schnell unruhig in die Höhe strebenden Flamme zu Asche verglüht, muß die einsame Seele gegen den Tod rebellieren, muß gegen die Vergänglichkeit aufbegehren, ohne Hoffnung, aber von einem mächtigen inneren Zwang getrieben, von einem verzweifelten Fanatismus gepackt, mit dem einzigen Ziel, verschwindendes Leben dingfest zu machen.
Und wenn alles nur Einbildung gewesen ist? (S. 10)
© 1999, Styria, Graz, Wien, Köln.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.