Und du sollst still sein und dich nicht mit meiner Mutter unterhalten, weil es Sonntagnachmittag ist und schon dämmrig und Kaffegeruch ist und alles so reglos. Nie mehr werden die Nelken in der Vase auf dem Wohnzimmertisch (immer diese Nelken!) so riechen wie jetzt, und wenn ein Fenster in der Wohnung zuschlägt, dann ist es so, als schlüge nie mehr eines zu wie dieses. Später, wenn ich ich einmal groß bin, dann kannst du immer noch aufstehen und das Fenster schließen, Vati. Aber jetzt ist es genug, einmal muß Schluß sein, jetzt will ich aufstehen und mich auf deinen Fuß setzen und auf deinem Fuß hin und her wippen, und du sollst ihn abgeknickt lassen, damit er mich hält. (S. 20)
"Vati, sage ich, "es ist schwer, gell?" Es ist der einzige Satz, den ich je über seine Situation gesagt habe und sagen werde, seit er im Krankenhaus und jetzt im Pflegeheim ist, bis zu seinem Tod. Mein Vater schaut in die Birkenblätter über ihm, dann schaut er zum Rosenbeet. Plötzlich ist sein Kopf nicht mehr so steif. Er kann ihn also doch bewegen, denke ich. Dann schaut er mich an. Die Augen sind weniger durchsichtig. Er schaut mich lange an, dann seufzt er. Es ist wie ein stockendes Einatmen, das einem Schluchzen vorausgeht. Aber er schluchzt nicht. (S. 85f.)
(c) 1997, Haffmans, Zürich.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.