logo kopfgrafik links adresse mitte kopfgrafik rechts
   
Facebook Literaturhaus Wien Instagram Literaturhaus Wien

FÖRDERGEBER

Bundeskanzleramt

Wien Kultur

PARTNER/INNEN

Netzwerk Literaturhaeuser

mitSprache

arte Kulturpartner

Incentives

Bindewerk

kopfgrafik mitte

Leseprobe: Ilse Tielsch - "Die Ahnenpyramide."

Wir sollten einmal nach Mährisch-Trübau fahren, sagte ich zu Bernhard [...].
Ich ging mit Bernhard durch die Gassen, die Anni damals, vor etwa vierzig Jahren, mit ihrem Fahrrad befahren hat, ich fand die Wiese wieder, auf der sie ihre Kinderspiele spielte, [...] die Schule, in der sie so oft zu spät kam und in der sie ganze Vormittage verträumte. Das Haus, in dem sie mit ihren Eltern gewohnt hatte, stand noch, die Fenster waren ohne Vorhänge, man hatte in den viel zu großen und zu hohen, daher schlecht beheizbaren Zimmern Büroräume oder Lagerräume untergebracht.
Einiges hatte sich geändert, neue Häuser waren gebaut worden, andere hatte man abgetragen, man hatte den Bach abgedeckt, die Alleebäume gefällt. Der Stadtplatz, der vorübergehend Adolf-Hitler-Platz geheißen hatte, von dem aus das abends heimlich Milch holende Kind die Sterne betrachtet hatte [...], hatte einen neuen Namen bekommen. Es waren Veränderungen, wie man sie überall vorfindet, wo man lange nicht mehr gewesen ist.

[...]

Wir fuhren dann noch ein Stück hinaus zu den Feldern und Weingärten, bestiegen einen der Hügel, sahen Dörfer in der Nachmittagssonne liegen, blickten zwischen den Zwetschgen- und Birnbäumen des Obstgartens in den Hof hinunter, der einmal Josef, dem Großvater, gehört hatte, Bernhard stellte Fragen, ich wies auf Veränderungen hin, das Gemüsegärtchen der Großmutter war verschwunden, die Stallgebäude und die alten, stets weiß gekalkten Laubengänge, welche die seitliche Begrenzung zum Nachbarhof gebildet hatten, waren abgerissen worden, aber sonst war vieles geblieben, wie es früher gewesen war, ich sah es und fühlte mich trotzdem fremd. Eigentlich, sagte ich, sollten wir nicht versuchen, dorthin zurückzukehren, wo wir Kinder gewesen sind.
Ich sagte das, um mich gegen ein Gefühl zu wehren, das ich nicht wollte, aber es half mir nicht.
Komm, sagte Bernhard, fahren wir nach Hause.
Er hätte auch sagen können: Es ist spät geworden, wir müssen fahren, wir sind schon lange genug hier umhergegangen, hier lebt doch niemand mehr, den du kennst.
Er sagte NACH HAUSE und meinte: Fahren wir dorthin zurück, wo wir wohnen und arbeiten, wo unser Haus steht, wo unsere Kinder auf uns warten, wo Menschen Leben, zu denen wir gehören, die wir kennen, die unsere Freunde sind.
Ja, sagte ich. (S. 423ff.)

(c) 1998, Styria, Graz, Wien, Köln.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Link zur Druckansicht
Veranstaltungen
Junge LiteraturhausWerkstatt - online

Mi, 13.01.2021, 18.00–20.00 Uhr online-Schreibwerkstatt für 14- bis 20-Jährige Du schreibst und...

Grenzenlos? (Literaturedition Niederösterreich, 2020) - online

Do, 14.01.2021, 19.00 Uhr Buchpräsentation mit Lesungen Die Veranstaltung kann über den Live...

Ausstellung
Claudia Bitter – Die Sprache der Dinge

14.09.2020 bis 25.02.2021 Seit rund 15 Jahren ist die Autorin Claudia Bitter auch bildnerisch...

Tipp
LITERATUR FINDET STATT

Eigentlich hätte der jährlich erscheinende Katalog "DIE LITERATUR der österreichischen Kunst-,...

OUT NOW flugschrift Nr. 33 von GERHARD RÜHM

Die neue Ausgabe der flugschrift des in Wien geborenen Schriftstellers, Komponisten und bildenden...