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Leseprobe: Winkler Andrea - "Hanna und ich."

Was mit Hanna geschehen ist und geschieht, hat auch in mein Leben gegriffen, in alle meine Zimmer, meine kleinen Gewohnheiten und Vorlieben. Wenn im Sommer Regen fiel, hüpften wir manchmal wie Kinder auf der Straße, oder wir fuhren, sobald der Boden trocken war, hinaus in den Wald, breiteten eine Decke unter Hannas Lieblingsbaum, packten das Essen aus und später Bücher. Was denkst du? Ich versenke die Wolke in mich: Du musst sie so lange ansehen, bis nur noch du und die Wolke auf der Welt sind. Und dann? Das verändert uns. Glaube ich, vielleicht auch nicht. Manchmal verschwindet Hanna, legt einen Zettel auf den Küchentisch: Wird noch einmal etwas anfangen? Ich weiß nicht genau, wie Hanna diese Tage zubringt, wen sie trifft und wie oft sie die Stirn faltet, die rechte Hand öffnet, um die Finger der linken hineinzulegen, ihre kleinen Bergungsversuche. Was du für ein Gesicht machst! Nie weiß man, ob du dich gut oder schlecht mit mir fühlst, man muss nicht alles einer Frage aussetzen. Die ihr das sagen, sehen nicht lange genug hin, Hannas kleine Gesten zeichnen etwas ab, das von weit her kommt, vielleicht aber auch direkt von gegenüber, jedenfalls widerstreben sie einer allzu bestimmten Deutung. Gibt es eine Aufmerksamkeit, die uns umbringt? fragt sie, bevor sie in ihr Zimmer geht und die Tür ins Schloss fallen lässt.
Da liegt sie dann bei ihren Büchern, Papier und Buntstifte neben sich, um die Sätze einzufärben und an die Wand zu pinnen. Willst du dich auch hier noch zupflastern, erlaube ich mir dann sie zu fragen. Willst du ausgerechnet auf diese Weise verschwinden? Was maßt du dir eigentlich an! Aber nein, du verstehst mich falsch, dringt es aus ihrem Zimmer, seltsam ruhig, eine Art von Ruhe, die meinen Zorn weckt, weil sie immer alles zugleich ist: unsicher und überlegen, furchtsam und stark. Sie verwirrt mich mehr als alles andere an Hanna, weil sie es regelmäßig schafft, mich fortzuziehen, an einen Ort, der mich absondert, an dem nichts ist, wofür ich leichthin ein Wort finden würde, dem ich vertraue. Ich will da sein, und wenn Hanna und mich von jeher etwas verbunden hatte, dann dieser Wille: da zu sein. Fort zu sein, würde Hanna hinzufügen, ganz sicher. Hanna streicht mit ihren Fingern über die Konturen, die sich durch Milchglasscheiben drücken, während sie Türen und Bücher öffnet, sich in Parks und Gassen verläuft, Freunden und Fremden gegenübersitzt. Ob ihr diese Formulierung nun gefallen würde oder nicht, ob sie sie zutreffend nennen würde oder weither geholt, ungenau und den Blick trübend: Ich habe es gesehen, so und nicht anders, und es kann ja nicht sein, dass die Dinge und Worte ausschließlich von Hanna abgesegnet werden, für richtig oder falsch befunden, für unzureichend gehalten oder zielsicher genug. Hörst du, wie immer eine andere Stimme mitspricht in deinen Sätzen?, lautet Hannas Frage, hörst du es, und weißt du auch, welche? – Muss ich es wissen, wozu? Dann schlägt Hanna die Augen nieder, lässt eine Weile die Schultern hängen, geht zum Fenster und sieht hinaus, sucht eine Antwort in den kleinsten Bewegungen, Widerstand gegen das stets lauernde Gefühl von Schuld, so ein Unsinn. Hanna, sage ich, komm, oder sage ich es doch nicht. Keinen anderen Wunsch mehr als diesen: aus lauter Hüllen zu bestehen, luftigen Hüllen, und wenn einer kommt und sie antupft, dann –
(S. 13-15)

© 2008 Literaturverlag Droschl, Graz-Wien.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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