Müde stülpt sich Willibald Adrian Metzger sein Jackett über den Pyjama, Schlafen ist jetzt ohnedies kein Thema, durchquert schleichend das vom Mondlicht erhellte Treppenhaus und tritt durch die offene Haustür, an deren Innenseite der Schlüssel steckt, hinaus auf den hölzernen Vorbau. Sofort geht sein Blick zum Himmel, verbunden mit einem der tiefsten Atemzüge seines bisherigen Lebens. Schimmernd und galaktisch eröffnet sich dem sonst von flimmernder nächtlicher Dauerbeleuchtung geblendeten Stadtmenschen das überwältigende Firmament. Den Großen Wagen erkennt er, der Willibald, eine jämmerliche Bildungsausbeute für sein Alter, und obwohl er gelegentlich ein kleines Interesse für die Anordnung der Sterne in sich ausmacht, versteckt sich diese Wissbegierde in Anbetracht der ganzen schwachsinnigen Scharlatanerie rund um das Thema Horoskop im hintersten Winkel seiner Gehirnwindungen.
Wenn ein Mensch bei einer ersten Begegnung gleich nach dem Namen das Sternzeichen wissen will, dann ungefragt eine Litanei an dazupassenden Eigenschaften loswird, sich dabei brüstet wie ein Schriftgelehrter, der seine Kenntnis ausschließlich aus Billig- oder Gratismagazinen bezieht, fragt sich der Metzger, was genau dieselbe Person veranlasst, sich beim Thema Rassismus so liberalitätsgeschwängert aufzuregen. Wo ist bitte der Unterschied, wenn einer bei "Widder" die Augen verdreht oder wenn einer bei "Türke" die Augen verdreht? Beide verdrehen ihre Augen in Gegenwart eines Menschen, von dem sie nichts wissen. (S. 75)
© 2009 Piper Verlag, München.