Halbe, verschmäht
Erkenne ihn gar nicht wieder, den Hersteller vom Magazin! Warum bestellt der heute kein Bier? Verschmäht mich, seine gewohnte Halbe?
Kann es sein, es ist wegen des Herrn im Anzug, der heute mit ihm gekommen ist? Der gerade die Weinkarte verlangt? Dass er mich deshalb verschmäht? Zwar durstig zur Schank schaut, zu den reihenweise gezapften Halben, aber Rotwein bestellt wie sein Gegenüber.
Der Herr im Anzug, der Aussprache nach kein Tiroler, ist der vielleicht wichtig für ihn, beruflich? Dass er mich deshalb verschmäht, seine gewohnte Halbe, ich deshalb an der Schank bleiben muss?
Erkenne ihn gar nicht wieder, den Hersteller vom Magazin, hat der heimlich ein Weinseminar absolviert? Hebt jetzt wie sein Gegenüber das Stielglas, betrachtet die Farbe des Rotweins, nickt eifrig zum Urteil Ein schönes Rubinrot! Senkt jetzt wie sein Gegenüber das Stielglas unter die Nase, ergänzt das Urteil Ein Duft von schwarzen Johannisbeeren mutig mit Ausgeprägtes Bukett! Schlürft jetzt wie sein Gegenüber langsam den ersten Schluck, rollt ihn im Mund, fügt dem Urteil Schöne Tannine, leicht adstringierend konstruktiv hinzu Ausgewogener Körper!
Über mich sprach er niemals so schön, wenn er mit dem Altredakteur hier saß, die beiden über Berufliches sprachen! Hat niemals dem Altredakteur gegenüber meinen Goldton gelobt, das Weiß meiner Haube, nie mein Hopfenaroma hervorgehoben, nie meinen spritzigen Antrunk gewürdigt dem Altredakteur gegenüber, hat mich einfach zügig geleert, seine gewohnte Halbe!
© 2010 Sisyphus Verlag, Klagenfurt