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Franz M. Eybl: Ganz Wien ist ein Beisel.

Literarische Eindrücke aus Wiener Hotels & Gaststätten.
Wien: Döcker, 1998.
256 S., geb.; öS 291.-.
ISBN 3-85115-249-2.

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Der Titel dieser Anthologie ist ein bißchen hinterfotzig: "Ganz Wien ist ein Beisel" - das verheißt raumfüllende lokalpatriotische Schwelgerei, gewissermaßen einen literarischen Supergau der Gemütlichkeit. Das Zitat stammt jedoch aus einer Satire von Georg Kreisler, die eben jene vielbeschworene Beiselherrlichkeit als Mythos entlarvt. Da will ein freundlicher Wiener seinem deutschen Gast partout ein echtes Beisel vorführen, wobei sich leider herausstellt, daß das, objektiv und von außen betrachtet, aus verrauchter Luft, miserabler Bedienung, saurem Wein und fettem Essen besteht - eine Einzigartigkeit, die die touristische Empfehlung nicht wirklich rechtfertigt.

So verzichtet der Germanist Franz M. Eybl als Herausgeber denn dezidiert auf die "Leimrute der Wiener Gemütlichkeit", die in Büchern dieser Art sonst so gern ausgelegt wird. Ganz freimütig bekennt er auch, in dem Band "unterschiedlich gelungene Texte" zu präsentieren. Kein Wunder, wenn sich der Bogen von Simmel bis Doderer, von Brigitte Schwaiger bis Helmut Qualtinger spannt. Ob Romanausschnitt oder Erzählung, Kurzprosa oder Gedicht - alles dreht sich um das Gasthaus und das (Stunden-)Hotel als Wiener Soziotope. Solange die Nahrungsaufnahme eine Rolle spielt, ist auch dislozierte Kulinarik erlaubt: H. C. Artmanns hinreißender "Zorro" treibt sein Wesen am Würstelstand, Martin Amanshausers Held wird in der U-Bahn mit einem lästigen Schinkensemmelesser konfrontiert. Die Fallhöhe ist vorprogrammiert - von Simmels kalt-kriegerischem Agententreiben im "Imperial" bis zur Peepshow im Stadtbahnbogen, an der sich Elfriede Jelineks "Klavierspielerin" ergötzt. Genuß gegen Geld, so könnte das etwas weitherziger gefaßte Motto des Bandes lauten.

Daß sich auf Wirtshausbrettern trefflich Menschenkunde betreiben läßt, führt Heimito von Doderers sacht an magische Sphären streifende Erzählung "Ein anderer Kratki-Baschik" vor, der wohl beste Text des Bandes. Auf ähnlichem Terrain bewegen sich (geistreich gestikulierend) Franz Schuh und (sanft satirisch) Brigitte Schwaiger. Die Zuspitzung zum Kriminalfall gelingt Michael Amon dank seiner Lakonik, gerät Werner Fitzthum in seiner Geschichte von der herzensguten Wirtin allzu plakativ. Arthur Schnitzler ist nicht mit seiner besten Prosa vertreten, doch die von ihm geschilderte Radpartie mit Einkehr wirft ein erhellendes Licht auf zeitgenössisches jüdisches Außenseitertum.

Weil sich im Wirtlichen der Gaststube das Unwirtliche der Welt zeigt, ist die Satire hier gut aufgehoben. Helmut Qualtingers "Herr im Salonsteirer" bietet den gehobenen Stammtischmonolog in all seiner sich brüstenden Borniertheit, ein Gustostückerl aus den achtziger Jahren. Ebenfalls schon historisch, aber allemal spannend zu lesen ist Max Goldts ungläubiger Reisebericht aus dem Ostblock-Wien, das er, mit beachtlichen Ergebnissen, bis in die authentischen Tiefen des "Gmoa-Kellers" erforscht hat - "die dauerschwüle Wiener Luft ist voll der niedlichsten Vokabeln".

So ist das kredenzte Mahl durchaus appetitlich und schmackhaft, wenn auch nicht in allem leicht verdaulich. Gewürzt wird es von den eingestreuten "Objekten" des Herbert J. Wimmer, der seine knapp kalkulierte, witzige Kurzprosa listig zwischen "essstäbchen" und "semmelknödel" ansiedelt. Eybls Auswahl tendiert zum Bizarren und zum Plebejischen und ist deshalb von sogenannter Kaffehausliteratur genausoweit entfernt wie von humorig geölter Weinheberei. Der ganz und gar gegenwartsgesättigte Wirthauspoet Gerald Bisinger paßt demnach wunderbar in dieses Buch. Aber - Subjektivität hin oder her - Theodor Kramer und seine melancholisch ausschweifenden Freß- und Saufgedichte hätten nicht ignoriert werden dürfen.

Daniela Strigl
11. Februar 1999

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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