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Thomas Glavinic: Unterwegs im Namen des Herrn.

München: Hanser 2011.
Gebunden; 208 S.; Eur. 17,90.
ISBN: 978-344623739.

Link zur Leseprobe

Warum tut man sich das an? Da nehmen zwei Männer an einer Wallfahrt teil. Der eine ist Fotograf, der andere – der Icherzähler – ist Autor, beide strotzen sie nicht gerade vor katholischer Inbrunst. Mit dem Bus geht es nach Medjugorje, einem Ort, an dem die Gospa, die Gottesmutter, mit großer Regelmäßigkeit erscheint, um ihre Schäfchen an Jesus & Co zu erinnern. Bald als Ungläubige enttarnt, versuchen die beiden Protagonisten, sich mit den Umständen anzufreunden – was denkbar schwer fällt: Ihre Mitreisenden sind ein Katalog an Fanatikern und Sonderlingen, die Tage beginnen zu höchst unchristlicher Stunde mit Gottesdiensten und dem Besteigen heiliger Berge, die Unterkünfte haben den Komfort von Jugendherbergen. Zudem erkältet sich der Icherzähler – dem man übrigens ruhig eine Nähe zum Icherzähler aus Glavinics „Das bin doch ich“ (2007) unterstellen kann –, als er in einem überklimatisierten Raum gerade einer Predigt (u. a. gegen Abtreibung) lauscht. Bald haben die beiden Freunde genug; sich ständig mit Bier, Schnaps, Beruhigungs- und Schmerzmitteln auszuknocken reicht nicht mehr, und sie nehmen Reißaus.

Und immer wieder im Laufe seines Martyriums stellt der Icherzähler die naheliegende Frage, warum er sich das eigentlich antut; „Midlifecrisis“ fällt ihm dazu ein, aber auch Tiefergehendes: „Ich will Menschen in ihrem Glauben erleben, vielleicht auch, weil ich sie irgendwo tief in mir darum beneide.“ Nun wäre es sicher eine lohnende Aufgabe, die dunklen Beweggründe, die am Grunde der Religiosität werkeln, zu beleuchten. Aber dafür geht es Glavinic hier zu sehr um Satire. Nicht, dass man seinen Überzeichnungen nicht ohne weiteres ihren wahren Kern zugestehen würde. Problemlos kann man sich Medjugorje als die Vorhölle des Katholikenkitsch vorstellen, und als Illustration sind die typisierten Mitreisenden („der Postangestellte“, „die Fundamentalistinnen“) wohl ausreichend. Aber können diese erwartbaren Pointen der einzige Anspruch des Buchs sein?

„Ich will ja niemanden vor den Kopf stoßen, ich will nur dabei sein und schauen und mir selbst ein paar Fragen stellen.“ – Selbsterkenntnis also soll es sein, Selbsterkenntnis eines Protagonisten, den wir in Grundzügen, mit seinen Ängsten und possierlichen Ticks, schon kennen. Unterhaltsam sind seine kruden Abwehrhaltungen allemal, häufig auch sehr sympathisch. Mehr erfahren wir hier auch nicht: Ein netter Kerl einfach, dem man es gönnt, dass der Autor ihn auch die haarsträubende zweite Hälfte seines Kreuzwegs (eine Party bei kroatischen Mafiosi, Fieber, Schnaps, Prostituierte, Schusswaffen, tote Ziege) einigermaßen überstehen lässt. So bleibt ein nettes, stellenweise witziges Buch – dem hoffentlich ein Glavinic von gewohntem Format folgt.

Bernhard Oberreither
6. Dezember 2011

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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