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Sabine Scholl: Tödliche Tulpen.

Roman.
238 Seiten; geb.; Euro(A) 19,40.
Wien: Deuticke im Paul Zsolnay Verlag, 2011.
ISBN 978-3-552-06159.

Link zur Leseprobe

Die Wienerin in Berlin mit der „richtigen Nase für falsche Männer“, Gina Sonnenfels, ist weiterhin auf das Geld angewiesen, das sie für Ermittlertätigkeiten erhält, die von Steffen Rheinsberg, Kriminalrat von der Polizeistation Eberswalder Straße in Berlin angefordert werden. „Also, ne Leiche mit‘m Kopftuch. Erwürgt. Und: Das Tuch kam von einem Berliner Designer, n‘Türke oder was. Schau‘s dir an.“ Schon sind wir im zweiten Band einer Serie, die der Klappentext „Fashion Victims“ nennt.

In „Giftige Kleider“ (2010) klärt die Ermittlerin, die so gut erfunden ist, dass es sie in der Realität so kaum geben wird, den Tod von Gerlinde Presenhuber, deren Dirndlkleid in einem Gasthaus entflammt. Der Fall ist in einer schicken Alternativszene angesiedelt. „Tödliche Tulpen“ wird eröffnet mit zwei Zitaten, das eine von dem christlichen Kirchenliederdichter Paul Gerhardt, das andere von Hafiz, der bereits als Kind den Koran auswendig gelernt hat. Damit wird angedeutet, worum es geht, um Islam und Christentum, Religion und Gewalt, Europa und Orient. Ein „Türke mit Putzfimmel“, der assimilierte Kunsthistoriker Selim Ersoy, dessen Frau sich gerade von ihm getrennt hat, findet in seiner Wiener Wohnung die gebürtige Waldviertlerin, die als Performance-Künstlerin den Künstlernamen Lale verwendet („Lale ist das türkische Wort für Tulpe. Und das ist [...] ein Anagramm von Allah.“). Sein Bruder Aslan ist der erwähnte Berliner Designer, der aus geschäftlichen Gründen auf den Islam setzt. Der guten Gina bleibt nur zu räsonieren: „Türke mit Putzfimmel, Designer mit Islamwahn, Opfer als Orientverschnitt. In welchen Irrsinn war sie diesmal geraten?“

Verdächtig ist auch der Bruder der Ermordeten, der „radikale Gläubige“ Richard Holzbauer, der in seiner Tischlerwerkstatt Trakl rezitiert und Mahlers „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ hört. „Tja, die Österreicher und das Katholische, ein ewiger Krampf.“ Schließlich gibt es da noch den Teppichhändler Hans Maier, den ein Zeuge im „Café Kafka“ so beschreibt: „Der ist schuld. Der ist der Ärgste! Ein Spieler, ein Schwindler, ein Weiberer! Nach ihm die Sintflut!“

Sabine Scholl hat Humor und Witz. Ihre Detektivin denkt nach und glaubt nicht „an die Harmlosigkeit von gotterfüllten Menschen“. Für sie ist ein radikal Gläubiger einer, dessen einzige Maxime „Ich habe Recht, du nicht. Ich hab Recht, du bist tot.“ lautet. Gina Sonnenfels fragt nicht weiter nach, was ein radikal Gläubiger ist, den persischen Dichter Hafiz meint sie damit jedenfalls nicht. So ist die Religionskritik der Detektivin zwar amüsant, nicht unberechtigt, aber doch etwas oberflächlich.

Auch in diesem Band wird der Leser mit Zeichen und ihren Bedeutungen konfrontiert, die oft überlesen, übersehen werden. Köstlich die „Oya-Sache“. Gina freut sich über ein Tuch, das Geschenk des Designers. Dagegen finden Türkinnen das Tuch offenbar lächerlich. Die geneigten Tulpen darauf sind für diese „typisch für Frauen um die Vierzig“. Gina, „38 Jahre noch ziemlich passable Erscheinung“, kannte den Code nicht und ist verärgert. Das Spiel mit verschiedenen Codes ist ein charakteristisches Merkmal von Sabine Scholls Texten.

Es gibt eine österreichische Variante des Krimis, dessen Ermittler voller Flausen sind, leicht abgelenkt, irgendwie schlampig und dann doch eher überraschend ihren Fall aufklären. Sabine Scholls Gina Sonnenfels mit „neuer Lederjacke“ und „schweren Bikerstiefeln“ gelingt das auch vollgestopft mit „Grippevernichtungsmittel aus den USA“. Wir verfolgen ihre manchmal etwas weltfremde, doch überraschend welthaltige Arbeit mit Vergnügen und Neugier.

Helmut Sturm
10. Jänner 2012

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.




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