Leseprobe: Vladimir Vertlib - Schimons Schweigen.

„Lass dir eines sagen“, unterbricht sie mich, „etwas, was du unbedingt schreiben musst ...“ Sie spricht besser Englisch als ihr Bruder, hat aber einen schweren Akzent. Ich muss mich konzentrieren, um alles zu verstehen.
„Es wird Frieden geben!“, schreit sie. „Hallo?! Hörst du mich? Die Verbindung ist schlecht.“
„Ja, ich höre dich. Wir sind gerade in Haifa mit dem Auto unterwegs und fahren den Berg hinauf.“
„Du kannst mir glauben. Ich arbeite in einem Friedenszentrum, ich kenne Politiker und andere wichtige Leute auf beiden Seiten, in Israel, in den Autonomiegebieten, in Jordanien, in Europa. Es wird bald, sehr bald sogar, einen umfassenden Frieden in unserer Region geben. Spätestens 2015. Es wird keine Kriege mehr geben, keine Gewalt. Es wird zwar noch lange dauern, bis wir einander wirklich vertrauen können, aber wir werden einander respektieren.“
Nahla wird von Minute zu Minute aufgeregter. Ihre Stimme überschlägt sich. Ihr arabischer Akzent wird stärker, sie macht Fehler, betont falsch, macht aus „th“ einen stimmhaften, sonoren Laut, rollt das „r“ und verkürzt das lange „i“ im Wort „peace“.
„Piss will come!“, höre ich sie schreiben. „We'll have piss! Piss for all, piss for everyone!“
„That's for sure“, sage ich.
„Piss in 2015. Believe me!“

(S.120)