Roman.
Weitra: Bibliothek der Provinz, 2011.
154 Seiten; broschiert; Euro 12.-.
ISBN: 978-3-99028-011-9.
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Der Albtraum eines jeden Urlaubers: Der Rückflieger wird storniert. Termine und Verabredungen platzen. Schlimmer noch: Man bringt Touristen in einem Hotel am Flughafen unter – mit trostlosem Blick auf die Start- und Landebahnen. Wilde Spekulationen unter den Urlaubern machen die Runde. Zudem zermürbt die Ungewissheit, wie es weitergehen soll.
So die Ausgangssituation in Karin Ivancsics' Roman „Restplatzbörse“. Die Autorin, Jahrgang 1962, ist gebürtige Burgenländerin. Sie hat seit 1989 acht Romane und Novellen vorgelegt und etliche Stipendien bekommen, darunter das Österreichische Staatsstipendium und das Stipendium des Berliner Senats im Literarischen Colloquium Berlin.
Zurück zum aktuellen Text. Er zeichnet sich nicht über eine stringente Handlung aus, sondern vielmehr durch lose Spotlight-Szenen. Im Fokus werden die letzten zwei Wochen eines Urlaubs-Camps erzählt – ergänzt durch persönliche Erlebnisse der Figuren. Daneben lässt Ivancsics auch Kapitel zu, die Werbung für solch einen Club machen.
Verschiedenste Stimmen prasseln im Lauf der Handlung auf den Leser ein. Und das aus verschiedenen Erzählperspektiven. So gibt es eine Ich-Erzählerin, die die Geschichte trägt. Dazwischen Kaptiel in der dritten Person oder in der Du-Perspektive. Die meisten Urlauber sind wegen des Tauchangebots im Club, der sich in einem nicht genannten warmen Land befindet. Es scheint ein abgeschottetes Urlaubsresort zu sein. Die Reisenden sind dort, um „unter sich“ Spaß zu haben und das eine oder andere Sex-Abenteuer zu suchen. Dafür sorgt auch meist der Tauchlehrer und Sunny-Boy Ulli.
Geschiedene, Gebeutelte, Träumer, Glückssucher und Abenteurer – das ist in etwa das Figuren-Spektrum, das uns Ivancsics vorstellt. Sie wirken trotz guter Jobs und Lebenserfahrung orientierungslos. Lassen sich von Trugbildern leiten, wissen nicht, wie sie mit ihrem privaten Scherbenhaufen umgehen sollen. Der Urlaub soll sie auf andere Gedanken bringen. Doch am Ende müssen einige feststellen, dass sie keinen Deut weitergekommen sind.
Zudem weist uns die Autorin auf Ambivalentes hin: Beispielsweise durch Herbert, der am letzten Tag kurz vor der Abreise fehlt. Es stellt sich später heraus, dass er dem Club entflohen ist. Er fuhr mit einem einheimischen Fischerboot und genoss die einfache Arbeit der Fischer, ihre Freundlichkeit und das „Erfahren einer anderen Kultur“, was ihm im Club verwehrt worden war. Das Ambivalente besteht nun darin, dass Herbert sich einerseits vom Kolletiv-Urlaub emanzipiert, andererseits lediglich seiner verklärt-romantischen Sehnsucht nachgeht. Denn er ist nur Beobachter auf dem Boot. Ein interkultureller Austausch findet nicht statt. Auch hinterfragt er nicht, weshalb die Fischer arm sind oder weshalb der Wohlstand des Clubs nicht auf die Region übergeht. Groteskerweise wird von der Hotelanlage sogar davon abgeraten, Produkte von den Einheimischen zu kaufen. Ähnlich kritisch betrachtet etwa Hans Platzgumer diese Arroganz des Westens in seinem jüngst erschienen Roman „Trans-Maghreb“ (Rezension ebf. im Buchmagazin).
Ivancsics entlarvt in ihrem Text „Restplatzbörse“ sowohl die Illusion der Werbung als auch die inneren Illusionen bzw. verkitschten Sehnsüchte. In nüchterner und lakonischer Sprache analysiert sie die Situation und verleiht zugleich dem Text eine subtil-ironische Note.
Ein desillusionierendes Buch, das ungelöste Widersprüchlichkeiten aufzeigt und Oberflächlichkeiten vergegenwärtigt. – Genau der richtige Text für die anstehende Urlaubszeit!
Angelo Algieri
28. Juni 2012
Originalbeitrag
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