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Michael Braun: Die deutsche Gegenwartsliteratur.

Eine Einführung.
Köln-Weimar-Wien: Böhlau, 2010
(=UTB 3352).
247 Seiten; brosch.; Euro 16,90.
ISBN 978-3-8252-3352-5.

Die hohen Erwartungen, die der Titel dieses Buches weckt, werden auf den ersten Seiten gleich ziemlich zurückgenommen. Braun bietet nämlich keinen Überblick über die deutsche Literatur der Gegenwart, sondern ganz anderes: eine Einführung in das Studium der Gegenwartsliteratur. Sein Zielpublikum: Studierende, die das Bachelorstudium Germanistik in Angriff nehmen.
So versteht es sich, dass zunächst einmal einige Grundfragen erörtert werden, Fragen der Abgrenzung und der Wertung von Gegenwartsliteratur, Definitionen und ihre mehr oder weniger einsichtigen Kriterien, Probleme der Literaturgeschichtsschreibung. Die daran anschließenden Kapitel präsentieren dann leicht verständliche und dennoch solide fundierte Analysen zu den Stichworten Kulturbetrieb, Literatur und Skandal, Erinnerungskultur, Gegenwartslyrik sowie Literatur und Film.
Die Frage, was im europäischen Kulturraum (spätestens seit 1989/90) zur deutschen Literatur gehört, beantwortet Braun pragmatisch: alle Texte in deutscher Sprache, d. h. Texte aus Deutschland, aus Österreich und aus der Schweiz, darüber hinaus aber auch Werke aus anderen Sozialsystemen (z. B. Werke, die man lange Zeit, namentlich in Literaturgeschichten, unter dem Titel Migrationsliteratur abgehakt und, wenn überhaupt, allenfalls ganz am Rande erörtert hat). Alle deutschsprachigen Texte also gehören zur deutschen Literatur – sofern sie als literarische Texte wahrgenommen werden; Dieter Bohlens Autobiographie bleibt ausdrücklich ausgeklammert.
Die traditionelle Nationalliteraturgeschichtsschreibung wird konsequent verabschiedet; neue Aufgaben der regionalen Kultur- und Literaturgeschichtsschreibung, die gleichzeitig sichtbar werden könnten (weil einerseits regionale Kulturräume nach wie vor die Herausbildung kultureller Identitäten fördern und andrerseits die Literatur alle herkömmlichen Grenzen mehr denn je souverän auch überschreitet), geraten indessen hier noch nicht ins Blickfeld: In seinen exemplarischen Kommentaren konzentriert sich Braun dann doch vor allem auf die Szene in Deutschland; folglich sucht man Namen wie Friederike Mayröcker oder Peter Waterhouse oder auch Joseph Zoderer vergeblich, und in dem Abschnitt über die Geschichte der Erinnerungsliteratur nach 1945 fehlt sogar Ilse Aichinger, deren Roman Die größere Hoffnung der von Braun notierten Behauptung, die Literatur der unmittelbaren Nachkriegszeit sei „vergessensbereit“ gewesen, doch energisch widersprochen hätte. Als Beispiele für die Transponierung individueller Erfahrungen in das Langzeitgedächtnis der Literatur analysiert Braun schließlich aber auch viel jüngere, durchaus repräsentative Texte, eine Novelle von Günter Grass (Im Krebsgang), eine Kurzgeschichte von Christoph Hein (Moses Tod) und Ulrike Draesners Roman Spiele.
Drei Beispiele bringt Braun weiters zum Thema Literaturdebatten: den Zürcher Literaturstreit (1966), den Streit um Christa Wolf (1990) und die Debatte über Martin Walsers Roman Tod eines Kritikers (2002). Drei Beispiele für Entwicklungstendenzen der jüngsten Lyrik: politische Lyrik, Liebeslyrik und die so genannte neuro-romantische Lyrik. Zwei Beispiele zuletzt für den Themenkomplex Film und Literatur: die Adaption von Patrick Süskinds Roman Das Parfum durch den gleichnamigen Film von Tom Tykwer und die Aufnahme von John Fords Westernklassiker The Man Who Shot Liberty Valance in Patrick Roths Novelle Johnny Shines oder Die Wiedererweckung der Toten. – In diesen umsichtigen Analysen wird der vielfach noch immer in der Film-Kritik gern bemühte Maßstab der Werktreue aus guten Gründen ganz außer Kraft gesetzt; und es wird gleichzeitig die Lust geweckt, die zitierten Texte und Filme endlich einmal oder endlich wieder, aber mit neuen Augen, sich vorzunehmen.
Aber das zeichnet alle Muster-Interpretationen dieses Buches aus: dass sie den Blick in erster Linie auf die Zeichenverwendung lenken und nicht nur auf Inhalte und Botschaften. So wird hier in besonnener Manier, zwischen den Zeilen sozusagen, auch methodisch vorbildliches Arbeiten vorgeführt; vorbildliches Arbeiten für weitere Arbeiten, für eigenständige Auseinandersetzungen der Studierenden mit der Literatur der Gegenwart.

Johann Holzner
17. Juli 2012

 

 


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