Vorwort von Kurt Neumann
Orientiert an den Pionierleistungen des forum stadtpark in Graz und der Österreichischen Gesellschaft für Literatur in Wien hat sich während der letzten Jahrzehnte ein differenziertes Spektrum von literarischen Veranstaltungseinrichtungen in Österreich entwickelt. Verschiedenartige Verbindungen zu Forschungseinrichtungen von Universitäten, zur Kunstsektion der Republik, zu Kulturabteilungen von Bundesländern und Städten bringen unterschiedliche Zielsetzungen mit sich. All diese Häuser der Literatur und der schriftstellerischen Begegnung verbindet aber vor allem eine große, gemeinsame Aufgabe: konkrete Orte des Öffentlichen für die zeitgenössischen österreichischen Autorinnen und Autoren zu bilden und dabei den in der Verfassung verankerten Anspruch der Freiheit der Kunst im Bereich der literarischen Künste mit Leben zu erfüllen.
Literarisches Arbeiten unterliegt zu jeder Zeit vielfachen Einschränkungsversuchen: Die zunehmende Orientierung an der Verkäuflichkeit literarischer Werke, der mediale Zwang zur verkürzenden, plakativen Aussage, die wachsende Bevorzugung anderweitiger Rechtsansprüche engen gegenwärtig den Entfaltungsraum des Freien Wortes empfindlich ein. Damit sind Tendenzen wirksam, die öffentliche und gemeinschaftliche Verantwortung für die Festigung des Freien Literarischen Wortes als Aufklärungs- und Erkenntnismittel in Vergessenheit geraten zu lassen.
Elf literarische Einrichtungen Österreichs haben in Vorbereitungstreffen in den Literaturhäusern Graz, Salzburg und Wien eine Programmidee der Kolleginnen vom Innsbrucker Literaturhaus am Inn aufgegriffen und zu einer gemeinsamen Form gebracht: In allen neun Bundesländern stellt die Veranstaltungsreihe mitSprache: literatur und demokratie, die ohne die kreativen und grenzüberschreitenden Arbeiten unserer Autorinnen und Autoren gar nicht denkbar wäre, unter Beweis, daß diese Institutionen in der Lage und willens sind, den notwendigen Entfaltungsraum der Vorstellungskraft, der Erforschung und Interpretation, der künstlerischen Formgebung und Bearbeitung der Phänomene der Lebenswelt, zu gewährleisten.
Die Reihe soll den Menschen in unserer Republik auch zeigen, was auf dem Spiel steht, wenn die Erhaltung und Pflege dieses gemeinsamen Gestaltungsraums aus vordergründig pragmatischen und hintergründig ideologischen Argumenten in Frage gestellt wird.
Kurt Neumann
Marlene Streeruwitz
In einer Kultur, die an Bildern schult.Wir leben in der brutalen und brutalisierenden Bilderwelt der Gegenreformation. Nach wie vor. Und weiterhin. Die sanfte Stimme des Kardinals und die Milde bei seinem Reden im Parlament sind nur eine Verhüllung. Ein Schleier über und vor die Tatsache, daß diese Stimme im Zentrum des Orts der historischen Entwindung aus diesen Bildern und der von ihnen vermittelten Brutalität erklingt.Wieder. Auch wenn nur noch vom ewigen Leben die Rede ist, das ein Verstorbener erwarten kann. Der Weg dahin führt über die Gewalt von Strafen und Belohnen. Und damit in das Erschauern darüber. Im Parlament. Da war das Sentimentalisierung des Tods. Da war das das Demonstrieren der höheren Gewalt über die Menschen im Kirchlichen gegenüber dem menschengeschaffenen Recht. Aber freundlich. Da war das ein In-Erinnerung-Bringen im Augenblick einer Gefühlswallung. Und. Die Erinnerung an die eigene Sterblichkeit ist immer eine gute Verkaufsgelegenheit kitschiger Verfahren. Aber hinter dem weltgewandten verständnisvollen Ton der Predigt im Parlament. Hinter dieser urbanen Verkündigung im Parlament.
Auf den Kulturankündigungslitfaßsäulen in Wien dreht sich zur Restaurierung der Fresken im Palais Liechtenstein ein Plakat. Ein Frauenkörper. Entblößt. Hingegeben. Erregt. Himmlische Freuden versprochen über diesen Frauenkörper. An diesem Frauenbild dargestellt. Verzückung als Lohn für die Einordung in ein Wahnsystem. Und keine Fragen. Nie eine Frage. Die Wolke, auf der diese Verzückung möglich ist, muß fraglos erwartet werden. Sprachlos. Ohne eigenes Sprechen darf nur in den vorgeschriebenen Formeln geseufzt werden. Und dieser Augenblick der Sexualisierung religiösen Begehrens dreht sich nun, an dieser Frau sichtbar gemacht, inmitten der Konzertankündigungen und Tanzfestivals. Eine Vorläuferin der Palmersplakate ist diese barocke Frau. Sie verspricht den Himmel im Himmel. Das Palmersplakat verkauft die Erlösung in eine Sexualität, die durch die religiöse Erziehung nie möglich sein wird. Das barocke Bild hat schon alles besetzt. Gegenreformation und Palmersmarketing. Bildwelten die Geschlechtergrenze entlang. Aber kein Geschlecht wird etwas haben. Darf etwas haben. Kurzes Besitzen und Besessen-Werden. Die Erotisierung des Sterbens und des Todes werden dann diese Bilder des Begehrens überstrahlen. Das Entzücken der Barockfrau wird in der Folter und im Sterben für ihre Religion noch gesteigert werden. Im Parlament muß das dann nicht mehr betont werden.
Alle da wissen es. Ob religiös erzogen oder nicht. Niemand. Keiner und keine sprechen gegen diesen Bildgebrauch. Ja. Im Gegenteil.Weil wir doch ohnehin in einer Welt der Bildüberflutung leben, kann man gleich zu den alten Bildern zurückkehren. Wallfahrten in die religiöse Geprägtheit. Und ohne Widerspruch. Rückkehr in die Überwältigtwerdensphantasien als Kind und in die Unumgänglichkeit davon. Das ewige Leben will das so. Die Basis unserer Kultur sind diese Bilder und die, die daraus entstanden. Diese Bilder sind Teil des hiesigen Alltagsverstandes und so politische Handlungsgrundlage. Gegen diese Bilddominanz unserer Kultur gibt es nur Sprache. Nur mit Sprache läßt sich ein Verlassen dieser Bildwelten gestalten. Herstellen. Nur in einer Selbstbefragung mit Sprache kann zunächst ein Unterschied von Bezeichnetem und Zeichen sichtbar gemacht werden. Eine Beschreibung dieses Unterschieds. Die Bedeutung einer Behauptung von Deckungsgleiche von Zeichen und Bezeichnetem. Nur mit Sprache lassen sich die Bilder beschreiben und aufdecken, wie die Bedeutungen wirksam werden. Welche Bedeutungshierarchien uns in den Bildern zukommen und wie sie ihre Wirkung entfalten. Eine persönliche Geschichte dieser Bilderwirkung wird da erzählt werden müssen. Eine gesellschaftliche. Und wie sich diese Bildwirkung in die Leben schlägt. Als Politik. Als Zeitgeist.Was verstärkt wird.Was abgewehrt. Nur mit Sprache ist dieses Bildlabyrinth zu begehen. Und ein Ausweg daraus. Kleinschrittweise wird dieses Weggehen aus dem Labyrinth der Todesliebe und Leibverachtung sein. Sein müssen. Aber eben nur mit Sprache möglich. Eine kalte Sprache wird das sein müssen. Eine metaphernlose Sprache. Eine Sprache, die sich dem Gleichnis verwehrt. Eine böse Sprache. Eine radikale Sprache. Schneidend, um die Aufladungen herauszutrennen. Und immer muß diese Sprache auch ein Selbst sprechen können dürfen. Und dann verstehen. Und Verständnis haben. Aber immer müssen Fragen gestellt werden. Fragen, in denen all das zurückgeworfen werden kann, was in der religiösen Trauer über das Leben die Melancholie so verfestigt hat. Und immer muß das Jetzt befragt werden. Wie es zu dieser Melancholie steht. Und gefragt werden muß, wie die, die an der Macht sind und mit dieser Melancholie Politik machen.Wie die es halten. Mit Zeichen und Bezeichnetem. Radikal ist da zu fragen. Böse. Und kalt. Weil es um die Lebenszeit geht, die verstreicht. Für all dieses Fragen.