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kalligraphin

vor 5 Monaten

(65)


Eva kommt als 26-Jährige im Jahre 1911 nach Paris, um dort nach ihrem Glück zu suchen. Sie hat dabei keinen rechten Plan, was sie in Paris anfangen soll, aber eine gute Freundin, Sylvette, bei der sie wohnen kann und die auch dafür sorgt, dass sie eine Anstellung als Näherin im Moulin Rouge bekommt. Ebenfalls mit Hilfe Sylvettes biedert sich Eva bei der Schauspielerin Mistinguette an und stolpert so nach und nach in das Leben der Pariser Künstlerszene. In ihrem naiven Glückstaumel gerät sie dann auch an Pablo Picasso, der sich natürlich sofort und ganz ernsthaft und mit Haut und Haar in sie verliebt. Von nun an wird seitenweise gekuschelt, gebusserlt und ins Softpornogenre für schmachtende Hausmütterchen abgedriftet.

Ich hoffe sehr, dass weder Eva Gouel, noch Picasso in der Realität so waren, wie sie in diesem Roman beschrieben werden. Sie sind sehr flache, schwach gezeichnete Figuren. Die einzigen Charakterzüge, die sich manchmal erahnen lassen, sind unsympathische.

Wenn man sich vor Augen hält, dass die Beziehung der beiden nur vier Jahre andauerte (bis zum frühen Tod Eva Gouels) und dass Picasso eine ganze Riege an Frauen an seiner Seite hatte, wäre doch die interessante Frage, was gerade diese Beziehung Picassos so besonders gemacht haben soll? Warum hat sie das Interesse einer Autorin gefunden, die einen recht umfangreichen Roman dazu geschrieben hat? Man könnte die Antwort auf diese Frage in dem Roman selbst vermuten. Hier findet man sie aber nicht. Alles, was man in "Madame Picasso" findet, sind Plattitüden und schwülstige Worte.

"Es st schrecklich von der Welt vereinnahmt und dazu gezwungen zu werden, sie so zu sehen wie die anderen." (51)

Genau so schrecklich ist es leider, Picasso und Eva Gouel mit den Augen Anne Girards zu betrachten. Das Zitat ist der mit Abstand beste Satz des ganzen Romans und für mich vielleicht sogar das einzig Gute daran/darin.

Was zunächst nach einer vielversprechenden Geschichte rund um einen berühmten Künstler klingt - ich mag das ganz gerne, wenn Fiktion und Realität gekonnt zu etwas Neuem vermischt werden - entpuppt sich schon sehr bald als unnötiges, fast schon beleidigendes Buch.

Hier wurde Picasso von einer Groschenromanautorin vergewaltigt und in ein fiktives Kitschuniversum gezerrt, das seiner nicht gerecht werden kann.

Autor: Anne Girard
Buch: Madame Picasso

wandablue

vor 5 Monaten

Du hast es noch drastischer ausgedrückt als ich. Aber recht hast du!

Insider2199

vor 5 Monaten

"Von nun an wird seitenweise gekuschelt, gebusserlt und ins Softpornogenre für schmachtende Hausmütterchen abgedriftet." LOL

"Hier wurde Picasso von einer Groschenromanautorin vergewaltigt und in ein fiktives Kitschuniversum gezerrt, das seiner nicht gerecht werden kann." LOL

Knallhart, aber treffend. :-) Da staunen selbst wandablue und ich, und wir nehmen auch NIE ein Blatt vor den Mund. LOL

Wobei es einen klitzekleinen Fehler gibt: die Beziehung dauerte 4 Jahre, nicht 2. Die beiden haben sich 1911 kennen gelernt und Eva ist 1915 gestorben.

Normal-ist-langweilig

vor 5 Monaten

wandablue schreibt:
Du hast es noch drastischer ausgedrückt als ich. Aber recht hast du!

Und das mag ja mal was heißen....

kalligraphin

vor 5 Monaten

@Insider2199

Danke. Und der Fehler ist korrigiert... :)

Orisha

vor 5 Monaten

Uh du sprichst mir aus der Seele. Ich mag das Buch kaum lesen, leg es immer wieder zur Seite und wenn ich wieder anfange, denke ich "nee, nicht mein Buch". Kann mir kaum vorstellen, dass Picasso so gewesen sein soll (als Kunsthistoriker wirklich furchtbar zu lesen).

Sikal

vor 3 Monaten

ich hätte mir von dem Buch auch viel mehr erwartet, keine Herz-Schmerz-Geschichte, sondern schon ein wenig Einblick in die Atmosphäre dieser Zeit... hm, leider nicht...
Schade eigentlich.

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