Rezension vom 22.03.2015
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Als ich das Buch kaufte, warnte mich der Buchhändler, es sei hart und bedrückend. An dem Punkt lief es an mir zum größten Teil vorbei.
Vielleicht hielt ich es auch auf Abstand, weil ich so vieles aus diesem Leben kannte.
Eddy wächst in einem kleinen Arbeiterdorf auf. Es zählt mehr, ein ganzer Kerl zu sein. Intelligenz ist verdächtiger als der ruppige Umganz untereinander. Und Eddy, mit eher runden femininen Bewegungen, gilt schnell nicht nur als Schwuchtel, sondern auch als jemand, den man anrotzen, prügeln, schikanieren darf, "weil es ihm gefällt" Alles ist auf Männlichkeit ausgerichtet, die sich in Brutalität äußert. Sexuelle Neugier und auch Gewalt reifen früh, missbräuchlicher Sex ist so normal, dass der Missbrauch darin gar nicht als solcher erlebt und thematisiert wird. Eine Darstellung, die der REalität der Opfer oft näher kommt, als die tränenreichen Effekt heischenden Leidensstories, in denen schon den kindlichen Opfern bewusst ist, wie unrecht ihnen geschieht.
Die stärkssten Momente hat das Buch für mein Gefühl auch immer genau dann, wenn schlicht Herkunftsunterschiede in Sätze gefasst werden, wenn Formulierungen aufblitzen, die wahrhaftig warm und kalt ein Selbstverständnis zeigen, das sich gegen die Intelligenz richtet. Manchmal bin ich unsicher, ob mich die Verweigerung des Genitivs stört, die merkwürdigen "wie"-Sätze. Denn angesichts des Milleus ist die Grammatik nun mal fehlerhaft, aber der Erzähler berichtet aus dem Rückblick, aus einer Zeit, da ihm die Flucht längst gelungen ist. Vielleicht haftet dieses Dorf, diese Kindheit aber eben doch lebenslang.
Auf alle Fälle ist dieses Buch lesenswert.
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