Rezension vom 09.09.2015
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Eins muss man ihm ja lassen, diesem Precht. Er geht methodisch vor, hat seine Hausaufgaben gemacht, und weiß zu verblüffen und zu unterhalten. Dennoch mag ich nicht zu 100 Prozent "Hurra" schreien bei diesem Buch. Es hat für mich eine leicht "verkopfte" Tendenz, ist aber dennoch ausgesprochen lesbar gewesen.
Gut war sicherlich der unterhaltsame Anteil! Precht versteht es auf unnachahmliche Weise, Forschungsergebnisse und aktuell gängige Positionen in sein Buch einzubauen, und sie gleichzeitig amüsant zu hinterfragen. Ich könnte jetzt nicht alles aufzählen, weiß nun aber, wie sehr eben auch "Moden" in der Psychologie und Philosophie herrschen, und dass noch lange nicht alles Gold sein muss, was derzeit in den Feuilletons glänzt. Wissenschaft ist eben auch oft ein Spiel mit Reputationen, und zwar auf hohem Niveau...!
Gut fand ich ferner auch den Ansatz, vom Allgemeinen zum Speziellen, und vom Historischen bis in die Neuzeit zu gehen. Zu keiner Zeit wird dem Leser eine Meinung aufgedrängt; Precht trägt einfach nur zusammen. Man kann sich seine eigene Meinung bilden. Nur manchmal gerät Precht hier der Erzählstil ein wenig zu kopfig, wie ich schon sagte - die Formulierungen wiederholen sich, und könnten von einem ungeduldigen Leser als ermüdend aufgefasst werden. "Es mag ja sein, dass..." und "Man könnte einerseits sagen, dass..." Solche Sätze häufen sich in nahezu jedem Kapitel.
Und man muss sich vor allem klar sein, was dieses Buch NICHT ist: ein Ratgeber. Es ist eher ein amüsant zusammengestelltes Sachbuch, das dem geneigten Leser aufzeigt, welche teils haarsträubenden Meinungen oft vertreten wurden und werden, wenn es um die zwischengeschlechtlichen Bestrebungen moderner Menschen geht. Und warum es sie überhaupt gibt. Denn aus der Sicht der Evolution ist das keineswegs klar!
Ich werde in diesem Buch sicher noch öfter stöbern. Jeder Abschnitt bietet zahlreiche Denkansätze. Und auch das Literaturverzeichnis ist erfreulich reichhaltig. Gefällige Lektüre mit griffigem Ergebnis ist es allerdings sicher nicht. Es ist schon in manchem sehr unbequem.
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